23.08.2013 Aufrufe

GESCHICHTESPAZIERGANG „Auf den Spuren jüdischen ... - Erinnern

GESCHICHTESPAZIERGANG „Auf den Spuren jüdischen ... - Erinnern

GESCHICHTESPAZIERGANG „Auf den Spuren jüdischen ... - Erinnern

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Brauer: Nein, obwohl die Büchse des zionistischen Nationalfonds bei uns stand, war nie<br />

die Rede von einer Auswanderung nach Palästina.<br />

„W. Z.": In welche jüdische Schulen kamen Sie dann?<br />

Brauer: In der Grüngasse, in der Albertgasse, später in der Sperlgasse und in der<br />

Malzgasse.<br />

„W. Z.": Gab es in diesen Schulen prägende Lehrer, an die Sie sich besonders erinnern?<br />

Brauer: Da war Hugo Bondi, der Direktor in der Grüngasse, der später das jüdische<br />

Waisenhaus in der Tempelgasse, die damals Mohaplgasse hieß, leitete und nach 1945 im<br />

Unterrichtsministerium tätig war.<br />

Im Keller des Waisenhauses war auch die Tischlerei des Ältestenrats der Ju<strong>den</strong> in Wien,<br />

in der ich dann gearbeitet habe. Die Mitarbeiter des Ju<strong>den</strong>referats der Gestapo haben<br />

spät, aber doch bemerkt, dass sie womöglich noch an die Ostfront müssen, wenn keine<br />

Ju<strong>den</strong> mehr da sein wer<strong>den</strong>. Daher begannen sie, die übriggebliebenen Ju<strong>den</strong> wie<br />

Porzellan zu behandeln. Es gab nur mehr kleine Transporte,<br />

sogar Transporte, die wieder zurückkamen, während man 1942/43 noch aus dem vollen<br />

schöpfen konnte.<br />

„W. Z.": Aber wie kamen Sie zu dieser Tischlerei?<br />

Brauer: Ein älterer Bub aus der Schlosserei des Ältestenrats, die es auch gab, hat mir<br />

gesagt, dass man geschützt war, wenn man dort arbeitete.<br />

„W. Z.": Konnten Sie manchmal aus der Mohaplgasse weggehen?<br />

Brauer: Ja, ich trug zwar <strong>den</strong> gelben Stern, aber wohnte in Ottakring, <strong>den</strong>n meine Mutter<br />

war als Mischling geschützt. Da ich aber 1933 Mitglied der Kultusgemeinde war, wurde<br />

ich als „Geltungsjude"<br />

eingestuft.<br />

„W. Z.": Wie war das Gefühl, <strong>den</strong> Ju<strong>den</strong>stern zu tragen?<br />

Brauer: Die antisemitische Verfolgung vor 1938 war für Kinder sehr schmerzhaft und<br />

intensiv. Aber ich muss sagen, ab dem Tag, als ich <strong>den</strong> Stern tragen musste, wurde ich<br />

nie wieder von der Bevölkerung angestänkert oder behelligt. Offenbar erschien das <strong>den</strong><br />

Menschen doch zu unpassend und mittelalterlich für das 20. Jahrhundert.<br />

Ich erinnere mich, dass mich einmal ein jüdischer Kapo mit dem Ju<strong>den</strong>stern aus<br />

Ottakring in die Castellezgasse führte. Er hatte eine Berechtigung, um mit der<br />

Straßenbahn fahren zu dürfen. Eine Frau gab mir vor allen Menschen ein Sackerl mit<br />

Keksen und riskierte damit ihre Existenz.<br />

Später, im Jahr 1944 muddten Ju<strong>den</strong> die Villa von Johann Rixinger, dem Ju<strong>den</strong>referenten<br />

der Gestapo, in der Hinterbrühl auf Hochglanz herrichten. Ich baute für ihn zwei Monate<br />

lang <strong>den</strong> Hühnerstall, und ein-, zweimal ließ er für uns auch Mohnnudeln kochen. Zwei-<br />

bis dreimal musste ich mit einem schweren Handwagerl vom zweiten Bezirk in die<br />

Hinterbrühl marschieren, und da geht man einen ganzen Tag.<br />

Da musste mich ein deutscher SS-Mann begleiten, der sich furchtbar darüber gegiftet<br />

hat. Wir gingen um fünf Uhr in der Früh weg und ich war bereits am Rande meiner Kräfte<br />

79

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!