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GESCHICHTESPAZIERGANG „Auf den Spuren jüdischen ... - Erinnern

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äußerst sozial <strong>den</strong>kender Mensch. Er hat sein verdientes Geld immer wieder in<br />

seine Gasse und für alle investiert."<br />

Wie der Großvater verstand sich auch der Vater vor allem als Handwerker: "Wir<br />

haben nie viel ausgegeben. Unsere Familie besaß kein Auto, ja nicht einmal<br />

Wasser und WC in der Wohnung. Mein Vater hat es sich nie nehmen lassen,<br />

täglich selbst hinter seinen Maschinen zu stehen und zu stanzen - so sehr hat er<br />

das Handwerk geliebt."<br />

1936 kam der Großvater bei einem Betriebsunfall ums Leben; der Vater<br />

übernahm die Fabrik und kümmerte sich um die Familie - bis zur<br />

Reichskristallnacht, in der Frederic Mortons unbeschwerte Kindheit jäh beendet<br />

wurde.<br />

In dieser Nacht wurde sein Vater festgenommen und ins Konzentrationslager<br />

Dachau deportiert. Nach vier Monaten gelang es ihm zu entkommen, unter der<br />

Bedingung "das deutsche Reich zu verlassen". Im Juli 1939 reiste er mit seinem<br />

Sohn Fritz nach London. Die Mutter und sein kleiner Bruder blieben noch bis zum<br />

Jahresende in Wien. - "um zu versuchen, wenigstens noch die neuen Möbel, auf<br />

die sie 20 Jahre warten musste, zu retten", versteht der Sohn noch heute ihr<br />

Zögern. Doch auch sie musste alles zurücklassen: Die Möbel, die neue, größere<br />

Wohnung, die Fabrik - und die geliebte Thelemanngasse. Mit einem<br />

amerikanischen Visum gelang ihr und dem kleinen Bruder mit einem der letzten<br />

Flugzeuge die Flucht nach Großbritannien.<br />

Aber London war nur eine Zwischenstation. 1940 ging es mit dem Dampfer über<br />

<strong>den</strong> großen Teich: New York war der neue Wohnsitz der Familie Mandelbaum.<br />

"Dass mein Vater unbedingt nach New York wollte und beispielsweise nicht nach<br />

Schwe<strong>den</strong>, wo er ebenfalls ein kleines Büro hatte, hängt sicher mit dem Schock<br />

des Konzentrationslagers zusammen. Nur weit weg genug wollte er sein."<br />

Die neue Heimat bot Frie<strong>den</strong> und Sicherheit. Der Preis dafür war der Verlust des<br />

letzten Eigenen, das die Familie mitgebracht hatte - des Namens: "Als gelernter<br />

Schnittenstanzenmacher hätte mein Vater auch gleich einen Job bekommen.<br />

Doch dazu musste man bei der Gewerkschaft sein, die damals ganz offiziell<br />

antisemitisch war. Es wurde ihm beschie<strong>den</strong>, dass er für das Union Central<br />

Committee in Washington, obwohl sie ihn nie persönlich kennen lernen wür<strong>den</strong>,<br />

seinen Namen gesetzlich ändern sollte." So wur<strong>den</strong> aus Franz und Rosa<br />

Mandelbaum Frank und Rose Morton, aus Fritz und seinem Bruder Hans Fred und<br />

John Morton. (Seinen Vornamen Frederic legte er sich nach dem Erscheinen<br />

seines ersten Buches auf Anraten seines Verlegers zu.)<br />

Die nahegelegte Entscheidung "war für uns alle ein Schock. Für meinen Vater<br />

kam er erst später, weil für ihn am Anfang nur wichtig war, dass er seine Familie<br />

erhalten kann. Mein Vater - er ist vor zwei Jahren im Alter 100 Jahren gestorben,<br />

meine Mutter im Vorjahr mit 96, war immer ein glühender Wiener."<br />

Zwar gelang es ihm später, sich wieder mit einer kleinen Werkstätte selbständig<br />

zu machen; ein Haus wie die "Thelemanngasse 8" zu fin<strong>den</strong>, blieb aber unerfüllt.<br />

"Der Hausnummer ist er aber in gewissen Sinn treu geblieben: Wir haben in der<br />

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