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GESCHICHTESPAZIERGANG „Auf den Spuren jüdischen ... - Erinnern

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5.1.4 Interview mit Arik Brauer, Wiener Zeitung<br />

Der Wiener Künstler Arik Brauer im Gespräch 77<br />

Lieblingsmaler der Europäer<br />

Von Evelyn Adunka<br />

Arik Brauer, einer der Begründer der österreichischen Schule des Phantastischen<br />

Realismus, feierte Anfang Jänner seinen 70. Geburtstag. Eine Auswahl aus seinem Werk<br />

ist noch bis übermorgen im Historischen Museum der Stadt Wien zu sehen. Diese<br />

Ausstellung, zu der im Brandstätter-Verlag ein sehr schöner Katalog erschien, zeigt<br />

überwiegend Bilder aus Brauers Privatbesitz. Anlass genug für ein biographisches<br />

Interview mit dem Künstler, in dem er erstmals ausführlich von seinem Überleben im<br />

nationalsozialistischen Wien berichtet.<br />

„W. Z.": Wann und warum kam Ihr Vater Simche Brauer aus Russland nach Wien?<br />

Arik Brauer: Mein Vater kam aus Wilna in Litauen, das damals zu Russland gehörte. Er<br />

war verwickelt in die Revolution von 1905, nahm sich einen falschen Pass auf <strong>den</strong> Namen<br />

Brauer sein ursprünglicher Name war Segall und kam allein nach Wien. Er hatte eine<br />

gute Stimme und hätte ursprünglich Kantor wer<strong>den</strong> sollen. Dann besuchte er aber eine<br />

höhere hebräische Schule in Wilna, und nahm dort sozialistisches Gedankengut auf, das<br />

damals sehr aktuell war. Das veranlasste ihn, einen handwerklichen Beruf zu ergreifen<br />

und so wurde er aus ideologischen Grün<strong>den</strong> orthopädischer<br />

Schuhmacher.<br />

„W. Z.": War er auch in Wien politisch aktiv?<br />

Brauer: Nur in der austromarxistischen Bewegung und im Abstinenzlerbund. Eine<br />

Zeitlang lebte er in einem Heim, in dem auch der junge Adolf Hitler wohnte. Das war<br />

wahrscheinlich einer der Gründe, warum mein Vater die nationalsozialistische Bewegung<br />

nicht ernst genommen hat.<br />

„W. Z.": Erzählte er von Hitlers Re<strong>den</strong>?<br />

Brauer: Ich war zu jung, ich kann mich nur an <strong>den</strong> jiddischen Ausspruch erinnern: „der<br />

Meschiggene mit dem Burtl", also der Verrückte mit dem Schnurrbart.<br />

„W. Z.": Aber religiös war Ihr Vater nicht mehr?<br />

Brauer: Nein, er gehörte zu jener Generation, die sich emanzipiert hat. Er sprach sehr<br />

gut deutsch mit einem russischen Akzent und war begeistert von der deutschen Kultur,<br />

von Schiller und Goethe,<br />

und wir gingen auch ins Theater. Aber wenn wir allein waren, redete er mit mir jiddisch.<br />

Ich ging auch in die Religionsstunde. Dort wurde die Bibel vorgetragen und ich<br />

i<strong>den</strong>tifizierte mich mit <strong>den</strong> spannen<strong>den</strong> Räubergeschichten, die darin vorkamen. Mein<br />

Vater lachte darüber und sagte: Wenn<br />

die Ju<strong>den</strong> das hören, wer<strong>den</strong> sie zu Imperialisten.<br />

„W. Z.": Das heißt, Ihr Vater war kein Zionist.<br />

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