GESCHICHTESPAZIERGANG „Auf den Spuren jüdischen ... - Erinnern
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Der große Durchbruch gelang ihm 1963 mit der Geschichte der Rothschilds. "Ab<br />
dann konnte ich mir leisten, zu schreiben, was mich wirklich interessierte." So<br />
begann Frederic Morton, die österreichische Geschichte mehr und mehr zu<br />
seinem Generalthema zu machen. Es folgten u. a. "Ein letzter Walzer", der Wien,<br />
seine Intelligenz und seine Bürger rund um <strong>den</strong> Selbstmord Kronprinz Rudolfs<br />
1888/89 beschreibt und "Wetterleuchten", das die Ereignisse und die<br />
aufkeimende Kriegseuphorie im Wien von 1913/14 rund um die Ermordung des<br />
Thronfolgers Erzherzog Franz Ferdinands aufrollt.<br />
Verbun<strong>den</strong> mit dem Wunsch nach österreichischer Geschichte war aber auch, die<br />
seiner Familie nicht dem Vergessen anheim fallen zu lassen. Über 40 Jahre<br />
später ließ er <strong>den</strong> Zauber seiner verlorenen Kindheit in <strong>den</strong> Romanen "Die<br />
Ewigkeitsgasse" und "Crosstown Sabbath" wiederauferstehen. "Der Verlust des<br />
Sabbats ist für mich nicht nur im religiösen Sinn gedacht. Es ist gleichzeitig der<br />
Verlust der Muße, des Lebensgenusses. Was ich zu erzählen versucht habe, war<br />
das festgesetzte Ritual, das mein Vater jede Woche zelebriert hat: Er hat immer<br />
die Fabrik eigenhändig zugesperrt. Mit dem Herunterlassen des Rollbalkens<br />
seines Schreibtisches war auch für uns Kinder immer Feiertag. Niemand hat<br />
mehr ein Wort über schlechte Schulnoten fallen lassen. Am Nachmittag gab es<br />
dann, schön herausgeputzt, <strong>den</strong> traditionellen Kaffeehausbesuch."<br />
Wiener Vorhaben<br />
Soeben ist sein Buch "Das Zauberschiff" auf Deutsch erschienen und wurde im<br />
Wiener Rathaus von Kulturstadtrat Peter Marboe präsentiert. Wieder gibt eine<br />
persönliche Erinnerung <strong>den</strong> Rahmen für eine fiktive Geschichte: Ein eleganter<br />
Luxusdampfer verlässt im Mai 1940 <strong>den</strong> Hafen von Southampton. An Bord<br />
befindet sich eine bunte Mischung von Menschen, darunter auch der 19-jährige<br />
Leon.<br />
Wie in seinen anderen bei<strong>den</strong> Romanen "Wetterleuchten" und "Ein letzter<br />
Walzer" scheint auch hier die Zeit noch stillzustehen. Zwischen all der<br />
(aufgesetzten) Fröhlichkeit und dem Wunsch, sein Leben genauso wie früher zu<br />
gestalten, begleiten Angst und Sorge um die ungewisse Zukunft diese Fahrt.<br />
Intendant Rudi Klausnitzer bescherte ihm einen weiteren Auftrag: Anlässlich des<br />
200. Geburtstages des Theaters an der Wien wird Morton für Herbst 2001 seinen<br />
Roman "Ein letzter Walzer" als Musical aufbereiten: Der Stoff - eine<br />
Rahmenhandlung in der Gegenwart, gepaart mit dem über drei Jahre hinweg<br />
recherchierten Material aus dem Roman - verspricht eine mitreißende Mischung.<br />
Was ihn besonders freut: Die "Ewigkeitsgasse" wird noch heuer von dem Grazer<br />
Regisseur Curt Faudon in Wien verfilmt, der auch schon für die filmische<br />
Aufbereitung von "Crosstown Sabbath" verantwortlich war. Das Budget dazu, u.<br />
a. von der Stadt Wien, ORF und 3sat subventioniert, steht bereit. Eigens dafür<br />
hat er das Drehbuch verfasst: Wie im Roman spielt ein Stein, der von Generation<br />
zu Generation weitergegeben wird, eine wichtige symbolische Rolle. Sorgen,<br />
Wünsche und Sehnsüchte wer<strong>den</strong> ihm per Zettel ebenso zugesteckt wie<br />
Dankesbezeugungen und Lobpreisungen. "In meiner eigenen Familie gab es<br />
keinen Stein. Ich wollte eine Metapher für unsere generationenlange<br />
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