GESCHICHTESPAZIERGANG „Auf den Spuren jüdischen ... - Erinnern
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Sozialismus aufblühen würde. Darunter war auch mein Cousin Rudi Spitzer, später<br />
Chefredakteur der kommunistischen Tageszeitung in Graz und viele gebildete, gescheite<br />
und interessante Leute.<br />
Ich war ein Mitglied des Chors, sang, tanzte, spielte und fuhr zu <strong>den</strong><br />
Weltjugendfestspielen nach Prag 1947, wo eine euphorische Stimmung herrschte. Prag<br />
war eine blühende Stadt im Vergleich zu Wien, und in meiner Dummheit i<strong>den</strong>tifizierte ich<br />
das mit dem Sozialismus.<br />
Ich war auch noch 1949 in Budapest und da war ich schon etwas kritischer. Mir passte<br />
das System der Bevormundung nicht, aber am Marxismus zweifelte ich noch nicht. Bei<br />
<strong>den</strong> dritten Weltjugendfestspielen in Berlin sah ich dann, dass alles nur von oben<br />
organisiert war, ohne irgendeinen Impuls von unten. Die Kommunisten appellierten an<br />
das Beste im Menschen, und Stalin hat das Gegenteil daraus gemacht, eine faschistische<br />
Hölle. Deshalb ist das eine Beleidigung der menschlichen Seele, die noch schlimmer war<br />
als das, was Hitler aufführte. Ich kann mir nicht verzeihen, dass ich das als Jugendlicher<br />
nicht erkannt habe. Dadurch bin ich auch <strong>den</strong> Nazis gegenüber viel toleranter, <strong>den</strong>n ich<br />
weiß, dass ein junger Mensch wegen der wirtschaftlichen Not 1938 keine Chance hatte,<br />
kein Nazi zu sein.<br />
„W. Z.": Haben Sie mit Nazis darüber gesprochen?<br />
Brauer: Man kann mit Nazis leider nicht sprechen, <strong>den</strong>n es gibt sie nicht, niemand gibt<br />
zu, dass er ein Nazi war.<br />
„W. Z.": Was waren die Indizien oder Anlässe, dass Sie am Kommunismus zu zweifeln<br />
begannen?<br />
Brauer: Nichts politisches, aber ich sah, welche Menschen die Funktionen hatten und sich<br />
vordrängten. Ich beobachtete, dass es ihnen nicht darum ging, die Menschen glücklicher<br />
zu machen, sondern um persönliche Macht. Nach dem Slansky- Prozeß begannen auch<br />
antisemitische Töne und ich wurde als „entwurzelter Jude" bezeichnet.<br />
„W. Z.": Wie weit konnten jüdische Themen und das Schicksal der Ju<strong>den</strong> angesprochen<br />
wer<strong>den</strong>?<br />
Brauer: Immer wenn die Rede davon war, kam die Antwort, dass es im Sozialismus<br />
keinen Rassismus und keine Ju<strong>den</strong> mehr geben wird.<br />
„W. Z.": Wer steht Ihnen von jenen österreichischen Malern im Art Club und von der<br />
späteren Schule des Phantastischen Realismus am nächsten?<br />
Brauer: Anton Lehm<strong>den</strong>, als persönlicher Freund, und Ernst Fuchs.<br />
„W. Z.": Worüber diskutieren Sie mit Fuchs?<br />
Brauer: Wir diskutieren ununterbrochen. Er ist ja katholisch, obwohl ein Mischling, und<br />
war immer sehr religiös und bibelfest, so wie ich.<br />
„W. Z.": Versuchte er nie, Sie zu konvertieren?<br />
Brauer: Direkt nicht, aber indirekt sicher.<br />
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