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Islamistische und jihadistische Akteure in den Partnerländern ... - GIZ

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Die ägyptische Muslimbruderschaft<br />

wollte das „unislamische“ Regime durch e<strong>in</strong>en revolutionären<br />

Umsturz been<strong>den</strong>. Se<strong>in</strong> e<strong>in</strong>flussreiches<br />

Werk Wegzeichen (Maalim fit-Tariq) dient gewaltbereiten<br />

Islamisten bis heute als ideologischer Leitfa<strong>den</strong>.<br />

Im Laufe der folgen<strong>den</strong> Jahrzehnte verließ<br />

Qutbs Umfeld die Muslimbruderschaft <strong>und</strong> gründete<br />

eigene gewaltbereite Bewegungen (at-Takfir<br />

wa-l-Higra; al-Jihad al-Islami; al-Jamaa al-Islamiyya)<br />

(Lange 2007, 79-82).<br />

Ausnahmezustandes legal <strong>und</strong> wur<strong>den</strong> mit Terroranschlägen<br />

gewaltbereiter Islamisten beantwortet. Da<br />

sich die Anschläge negativ auf <strong>den</strong> Tourismussektor<br />

auswirkten, geriet die Popularität der Muslimbrüder<br />

<strong>in</strong>s Wanken, was Mitte der 1980er Jahre zu ihrem<br />

endgültigen Gewaltverzicht führte. 1984/85 baute<br />

die Muslimbruderschaft stattdessen ihre gesellschaftliche<br />

Präsenz aus <strong>und</strong> gewann E<strong>in</strong>fluss auf die<br />

größten Berufsverbände, was ihnen die Bezeichnung<br />

„Bourgeoisie-Islamisten“ (Spr<strong>in</strong>gborg 1989, 137)<br />

e<strong>in</strong>handelte <strong>und</strong> Sympathisanten der gebildeten<br />

Mittelschicht lieferte (Wille 1993, 139-141). Während<br />

Mubarak se<strong>in</strong> Regime durch klientelistische<br />

Netzwerke festigte <strong>und</strong> dadurch weite Teile der Gesellschaft<br />

ausschloss, bewies die Muslimbruderschaft<br />

durch ihre gesellschaftliche Präsenz Realitätsnähe,<br />

ideologische Kont<strong>in</strong>uität <strong>und</strong> politische Integrität<br />

(Lange 2007, 82-86). Da ihre Wohlfahrtsaktivitäten<br />

für die ägyptische Gesellschaft unverzichtbar<br />

gewor<strong>den</strong> waren, band das Regime die Bruderschaft<br />

kontrolliert <strong>in</strong> das politische System e<strong>in</strong>. So nahm<br />

die Bruderschaft seit 1984 regelmäßig<br />

an <strong>den</strong> Parlamentswahlen<br />

mit „unabhängigen“<br />

Kandidaten teil, die man an<br />

ihrem Wahlspruch „Der Islam<br />

ist die Lösung“ als Muslimbrüder<br />

i<strong>den</strong>tifizieren konnte. Dieser<br />

kontrollierte Pluralismus stellte<br />

zudem <strong>in</strong>ternationale Geber<br />

zufrie<strong>den</strong>, die vom Regime zunehmend<br />

auch politische Liberalisierung<br />

erwarteten.<br />

Revolution im Staatsfernsehen: Mit Hilfe der islamistischen Mehrheit im Parlament<br />

wurde das langjährige Kopftuchverbot gekippt (Nachrichtensprecher<strong>in</strong> Fatma Nabil<br />

im September 2012)<br />

Mit der Präsi<strong>den</strong>tschaft Sadats begann für die Muslimbrüder<br />

e<strong>in</strong>e neue Ära, die ihnen Zugangswege<br />

auf die politische Bühne eröffnete. Im Zuge se<strong>in</strong>er<br />

unpopulären wirtschaftlichen Liberalisierungspolitik<br />

(<strong>in</strong>fitah) rehabilitierte er die Bruderschaft rhetorisch<br />

<strong>und</strong> nutzte sie als politisches Gegengewicht gegen<br />

l<strong>in</strong>ke Kräfte. Er amnestierte zudem politische Gefangene<br />

aus ihren Reihen <strong>und</strong> machte die Sharia zur<br />

Hauptquelle der Rechtsprechung, ohne jedoch das<br />

Verbot der Bruderschaft aufzuheben. Gleichzeitig<br />

erließ er 1977 e<strong>in</strong> Dekret, das die Gründung religiöser<br />

Parteien verbot. Diese kontrollierte Toleranz des<br />

Regimes endete allerd<strong>in</strong>gs 1979 mit dem Frie<strong>den</strong>svertrag<br />

mit Israel, der 1981 zur Ermordung Sadats<br />

– vermutlich durch Mitglieder von al-Jihad – führte.<br />

Mubaraks Null-Toleranz-Politik gegenüber Islamisten<br />

führte zu Beg<strong>in</strong>n der 1980er Jahre zu gewalttätigen<br />

Ause<strong>in</strong>andersetzungen mit dem Regime.<br />

Massive Repression des Regimes war im Rahmen des<br />

Das Bekenntnis der Bruderschaft<br />

zur sozialpolitischen <strong>und</strong><br />

gewaltlosen Arbeit verlief nicht<br />

konfliktfrei. Bis heute ist sie –<br />

ebenso wie ihre 2011 gegründete Partei für Freiheit<br />

<strong>und</strong> Gerechtigkeit – e<strong>in</strong>e stark heterogene Organisation,<br />

deren Anhänger nicht alle der Gewalt völlig<br />

abschwören. Zudem trägt sie seit Längerem e<strong>in</strong>em<br />

Generationenkonflikt um ihr politisch-ideologisches<br />

Selbstverständnis aus: Während die ältere Generation<br />

an der Utopie al-Bannas festhielt, forderten<br />

jüngere Generationen <strong>den</strong> E<strong>in</strong>tritt <strong>in</strong> die Realpolitik<br />

des politischen Pragmatismus <strong>und</strong> ideologischer<br />

Flexibilität, ohne die Nähe zur Unterstützerbasis zu<br />

verlieren. Diese Vielzahl an Ges<strong>in</strong>nungen <strong>in</strong>nerhalb<br />

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