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Islamistische und jihadistische Akteure in den Partnerländern ... - GIZ

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Die marokkanische «Parti de la Justice et du Développement»<br />

ohne bislang substantielle Reformen zu unternehmen,<br />

um <strong>den</strong> sozioökonomischen wie politischen<br />

Strukturproblemen des Landes zu begegnen. Kritische<br />

Stimmen im Land bemängeln, dass die Erarbeitung<br />

der neuen Verfassung gänzlich autokratisch<br />

ohne jede Beteiligung relevanter gesellschaftlicher<br />

Kräfte erfolgte <strong>und</strong> damit die Forderungen der Bewegung<br />

des 20. Februar, welche die E<strong>in</strong>richtung e<strong>in</strong>er<br />

verfassungsgeben<strong>den</strong> Versammlung gefordert hatte,<br />

konterkarierte. Angesichts der drängen<strong>den</strong> <strong>und</strong> ungelösten<br />

sozio-ökonomischen Probleme sowie des<br />

nur e<strong>in</strong>geschränkt glaubwürdigen Reformeifers der<br />

Krone stellt sich e<strong>in</strong>igen Beobachtern die Frage, wie<br />

lange sich der König noch auf se<strong>in</strong>e religiöse Legitimation<br />

stützen kann (Bank 2011, 31).<br />

3. Gegenwärtig ausgeübte Rolle<br />

Die kontrollierte E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung der Parteien soll <strong>den</strong><br />

Ansche<strong>in</strong> erwecken, politische Parteien seien die Gestalter<br />

von Entscheidungsprozessen <strong>und</strong> soll zugleich<br />

deren Wählerschaft an das System b<strong>in</strong><strong>den</strong>. Die omnipotente<br />

Stellung des Königs <strong>und</strong> se<strong>in</strong>es Makhzen<br />

garantieren jedoch, dass die Parteien ke<strong>in</strong>e Politik<br />

gegen die Interessen der Krone formulieren können.<br />

Die PJD verkörpert, wenngleich mit anderem Anstrich<br />

als die traditionell etablierten Parteien, e<strong>in</strong>en<br />

loyalen Bestandteil dieses autoritären Arrangements<br />

unter Führung <strong>und</strong> Kontrolle des Monarchen. Seit<br />

ihrem E<strong>in</strong>zug <strong>in</strong>s Parlament verkörperte sie die Rolle<br />

der e<strong>in</strong>zig verbliebenen loyalen Opposition. Sie äußerte<br />

vorsichtige Kritik an ausbleiben<strong>den</strong> Reformen<br />

gegen Armut, Arbeitslosigkeit <strong>und</strong> Unterentwicklung<br />

(HDI-Platz 130, 2011). Aus <strong>den</strong> Parlamentswahlen<br />

2011, die als frei <strong>und</strong> fair e<strong>in</strong>gestuft wur<strong>den</strong>,<br />

g<strong>in</strong>g sie als Wahlsieger<strong>in</strong> hervor <strong>und</strong> bef<strong>in</strong>det<br />

sich nun erstmals <strong>in</strong> Regierungsverantwortung. Der<br />

PJD-Wahlsieg ist erstens auf Bürgernähe aufgr<strong>und</strong><br />

ihrer sozialen Aktivitäten zurückzuführen. Zweitens<br />

überzeugten die Professionalisierung ihrer Parteiarbeit<br />

<strong>und</strong> ihre vergleichsweise demokratischen Parteienstrukturen<br />

viele Wähler. Ihr breites Netzwerk an<br />

Parteiaktivisten ermöglichte drittens e<strong>in</strong>en wohlorganisierten<br />

Wahlkampf.<br />

Wie sich die PJD <strong>in</strong> ihrer neuen Rolle behauptet,<br />

bleibt abzuwarten. Das Machtmonopol des Königs<br />

verh<strong>in</strong>dert e<strong>in</strong>e autonome Politikgestaltung der<br />

Regierung unter Premier Abdelilah Benkirane, was<br />

auch der PJD bewusst ist. Benkirane selbst verwies<br />

darauf, dass zentrale politische Vorhaben der vorherigen<br />

Zustimmung des Königs bedürfen (Jeune Afrique<br />

2011) <strong>und</strong> bekräftigte se<strong>in</strong>e Regimeloyalität,<br />

als er betonte, dass Mohammed VI. „se<strong>in</strong> Volk liebt“<br />

<strong>und</strong> „auf se<strong>in</strong>e Bedürfnisse e<strong>in</strong>geht“ (Attal 2012).<br />

Zudem bef<strong>in</strong>det sich die PJD <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Regierungskoalition<br />

mit der konservativen Istiqlal, dem liberalen<br />

Mouvement Populaire <strong>und</strong> der l<strong>in</strong>ken Parti du Progrès<br />

et du Socialisme, sodass sie neben dem Premierm<strong>in</strong>ister<br />

<strong>und</strong> e<strong>in</strong>em Staatsm<strong>in</strong>ister nur acht der 21<br />

M<strong>in</strong>isterien führt (darunter die Außen-, Justiz- <strong>und</strong><br />

Familienressorts). Dem Regierungschef <strong>und</strong> dem Innenm<strong>in</strong>ister<br />

wur<strong>den</strong> außerdem parteilose beigeordnete<br />

M<strong>in</strong>ister zur Seite gestellt (HSS 2012).<br />

Bislang bleibt die PJD ihren Ansprüchen auf mehr<br />

Volksnähe treu; so zeigten sich etwa ihre M<strong>in</strong>ister<br />

– <strong>in</strong> Marokko ungewöhnlich – ohne Leibwächter<br />

auf der Straße. Auch ihrem Ziel der Korruptionsbekämpfung<br />

verlieh sie Nachdruck, <strong>in</strong>dem sie dem<br />

Staat zwei Millionen Euro an Subventionen für <strong>den</strong><br />

Wahlkampf nach <strong>den</strong> Wahlen zurückerstattete (Attal<br />

2012). Inwiefern diese eher symbolischen Gesten<br />

jedoch die Wähler angesichts ihrer E<strong>in</strong>bettung <strong>in</strong>s<br />

Regierungssystem dauerhaft von der PJD als echter<br />

Alternative überzeugen können, bleibt ungewiss.<br />

4. Politische <strong>und</strong> gesellschaftliche<br />

Zielvorstellungen<br />

Als moderat sunnitisch-islamistische Partei benutzt<br />

die PJD <strong>den</strong> Islam als moralischen Referenzrahmen<br />

für ihre politische Arbeit. Doch <strong>in</strong> der parlamentarischen<br />

Arbeit sowie <strong>in</strong> ihren Wahlkämpfen<br />

seit <strong>den</strong> 1990er Jahren bleiben die religiös-moralischen<br />

Rechtfertigungen e<strong>in</strong> vager H<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong> für<br />

pragmatisch-politischen Ziele. „Moralität“, „soziale<br />

Verantwortung“ <strong>und</strong> „Authentizität“ stehen als<br />

Stichworte dabei zusammen mit Verteilungsgerechtigkeit,<br />

guter Regierungsführung <strong>und</strong> Korruptionsbekämpfung<br />

im Vordergr<strong>und</strong> (Wegner 2008, 128).<br />

Das PJD-Wahlprogramm (2011) rückt menschliche<br />

Entwicklung <strong>in</strong> <strong>den</strong> Mittelpunkt <strong>und</strong> umreißt fünf<br />

Hauptpunkte, die sich um politische, wirtschaftliche<br />

<strong>und</strong> gesellschaftliche Reformen drehen; es schlägt<br />

zudem e<strong>in</strong>e Brücke zwischen <strong>in</strong>nerer Werteordnung<br />

der Gesellschaft <strong>und</strong> äußerer Souveränität des Staates.<br />

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