Islamistische und jihadistische Akteure in den Partnerländern ... - GIZ
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Die Hamas schaltete nach 2007 sämtliche politische<br />
Oppositionskräfte aus <strong>und</strong> durchsetzte <strong>den</strong> 24.000<br />
Beschäftigte umfassen<strong>den</strong> Bürokratieapparat mit<br />
ihren Günstl<strong>in</strong>gen, was ihr Korruptionsvorwürfe<br />
e<strong>in</strong>brachte. Infolge von Waffenlieferungen aus<br />
dem Iran <strong>und</strong> nach dem Sturz Ghaddafis auch aus<br />
Libyen verlor die Hamas das Gewaltmonopol, was<br />
sich <strong>in</strong> zunehmen<strong>den</strong> bewaffneten Aktivitäten von<br />
gewalttätigen islamistischen Splittergruppen äußert<br />
(Islamischer Jihad, Jaysh al-Islam, Hizb al-Tahrir,<br />
die sich wiederholt zu Raketenangriffen auf israelische<br />
Ziele bekannten (Brön<strong>in</strong>g 2010; Mendelsohn<br />
2009)). Der Umgang der Hamas mit <strong>jihadistische</strong>n<br />
Splittergruppen ist <strong>in</strong>konsistent, was auf ihre <strong>in</strong>terne<br />
Heterogenität zurückzuführen ist. Der politische<br />
Pragmatismus ihres Programms, sowie der versuchte<br />
Institutionenaufbau im Gazastreifen hatten ihr die<br />
Kritik e<strong>in</strong>gehandelt, ihre raison d’être, <strong>den</strong> Widerstand,<br />
aufgegeben zu haben (Bruillard, 19.04.2012).<br />
Dieser Kritik mag es geschuldet se<strong>in</strong>, dass sich Teile<br />
der Hamas heute für die Duldung <strong>jihadistische</strong>r<br />
Splittergruppen e<strong>in</strong>setzen.<br />
4. Politische <strong>und</strong> gesellschaftliche<br />
Zielvorstellungen<br />
Die Zielvorstellungen <strong>und</strong> Programmatik der Hamas<br />
unterliegen e<strong>in</strong>em evolutionären Prozess. Während<br />
die Gründungscharta von 1988, auf die <strong>in</strong> der heutigen<br />
Rhetorik nur noch selten<br />
Bezug genommen wird, e<strong>in</strong>e<br />
offensive Kampfbotschaft ist,<br />
die die Befreiung des gesamten<br />
historischen Paläst<strong>in</strong>as<br />
anstrebt <strong>und</strong> Verhandlungen<br />
mit der Besatzungsmacht<br />
entschie<strong>den</strong> zurückweist,<br />
hat das Wahlprogramm von<br />
2005 <strong>und</strong> der Programmentwurf<br />
für die Koalitionsregierung<br />
nach 2006 e<strong>in</strong>en völlig<br />
anderen Charakter. E<strong>in</strong> neuer<br />
Pragmatismus zeigt sich<br />
seit dem Wahlprogramm<br />
von 2005, <strong>in</strong> welchem nur<br />
drei Punkte Bezug auf die<br />
Besatzungssituation nehmen,<br />
während alle übrigen<br />
Programmpunkte von <strong>in</strong>nergesellschaftlichen<br />
Reformen handeln (Korruptionsbekämpfung,<br />
Bildungsreformen, Defizite <strong>in</strong> Sozial-,<br />
Frauen- <strong>und</strong> Jugendpolitik; politische Institutionen).<br />
Die Hamas akzeptiert <strong>in</strong> diesem Programm <strong>den</strong><br />
Führungsanspruch der PLO <strong>und</strong> begrüßt ausgewogene<br />
Beziehungen zu nicht-islamischen Ländern.<br />
Sie verurteilt zwar weiterh<strong>in</strong> die völkerrechtswidrige<br />
Besatzung, ruft jedoch nicht explizit zum bewaffneten<br />
Widerstand oder gar zur Zerstörung Israels<br />
auf (deutsche Übersetzung, vgl. Baumgarten 2006,<br />
227-241). Sowohl das Programm von 2005 als auch<br />
Stellungnahmen ihrer Führer Haniyeh <strong>und</strong> Meshal<br />
enthalten seit 2006 e<strong>in</strong>e implizite Akzeptanz der Koexistenz<br />
mit Israel. So erklärten Haniyeh <strong>und</strong> Meshal<br />
2009, dass die Gründung des Staates Paläst<strong>in</strong>a <strong>in</strong> <strong>den</strong><br />
Grenzen von 1967 zwar die „M<strong>in</strong>imalforderung“ sei,<br />
sie verzichteten allerd<strong>in</strong>gs anders als früher darauf,<br />
dies als „Etappenziel“ zur Befreiung ganz Paläst<strong>in</strong>as<br />
zu bezeichnen (Brön<strong>in</strong>g 2010). Nach wie vor betont<br />
die Hamas das Recht des paläst<strong>in</strong>ensischen Volkes<br />
auf Widerstand <strong>und</strong> erkennt somit das Existenzrecht<br />
des Staates Israel de facto nicht an. Dies impliziert<br />
allerd<strong>in</strong>gs nicht <strong>den</strong> Aufruf zur Zerstörung Israels,<br />
sondern ist vorrangig dem Widerstandscharakter der<br />
Bewegung als solcher geschuldet: E<strong>in</strong> auch rhetorischer<br />
Verzicht auf das Widerstandsrecht würde bei<br />
der Unterstützerbasis der Hamas auf Unverständnis<br />
stoßen <strong>und</strong> wäre für die Organisation politisch kaum<br />
durchzuhalten.<br />
Israelische Sprerranlage an der Grenze zu <strong>den</strong> paläst<strong>in</strong>ensischen Autonomiegebieten<br />
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