Islamistische und jihadistische Akteure in den Partnerländern ... - GIZ
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Die ägyptische Muslimbruderschaft<br />
reform baut auf das Pr<strong>in</strong>zip der Gerechtigkeit, die<br />
aus Chancengleichheit, Gleichberechtigung <strong>und</strong> sozialer<br />
Verantwortung, auch <strong>in</strong> Form der obligatorischen<br />
Abgabe der (islamischen) Armensteuer, Zakat,<br />
erwachse.<br />
Der Bezug zur islamischen kulturellen I<strong>den</strong>tität erlaubt<br />
es <strong>den</strong> Muslimbrüdern, kont<strong>in</strong>uierlich mit ihrer<br />
Basis zu kommunizieren <strong>und</strong> nicht als Agenten<br />
westlichen Reformdrucks zu wirken. Dennoch wird<br />
der Staatsbürger unabhängig von Religion, Sprache,<br />
Ethnie <strong>und</strong> Kultur def<strong>in</strong>iert. Wie genau sich diese<br />
Gleichheit unter Anwendung der Sharia vor Gericht<br />
manifestieren wird, bleibt bislang unklar. Ob diese<br />
Agenda zu e<strong>in</strong>em eigenen Weg <strong>in</strong> die Demokratie<br />
führen kann <strong>und</strong> welchen Erfolg die Muslimbrüder<br />
mit ihrem Konzept haben wer<strong>den</strong>, wie sie <strong>in</strong>nere<br />
Flügelkämpfe <strong>in</strong> diversen Politikfeldern lösen wer<strong>den</strong>,<br />
<strong>und</strong> wie nachhaltig <strong>und</strong> substanziell ihre Demokratisierungsbemühungen<br />
– gerade auch im Umgang<br />
mit politischen Gegnern – se<strong>in</strong> wer<strong>den</strong>, bleibt<br />
ebenso abzuwarten.<br />
5. Bedeutung der<br />
Muslimbruderschaft für die EZ<br />
Die Muslimbrüder <strong>und</strong> ihre neu gegründete Partei<br />
wur<strong>den</strong> quasi über Nacht von e<strong>in</strong>er illegalen Oppositionsbewegung<br />
zur stärksten Fraktion e<strong>in</strong>es frei<br />
gewählten Parlaments <strong>und</strong> stellen das Staatsoberhaupt.<br />
Verw<strong>und</strong>erlich ist weniger ihr Stimmanteil<br />
von ca. 45 Prozent, sondern die Konstellation, dass<br />
diese große Volkspartei von e<strong>in</strong>er erstaunlich starken<br />
salafistisch/extrem-islamistischen Kraft gefolgt<br />
wird, welche sie zu Kompromissen nötigt. Es wäre<br />
deshalb für westliche <strong>Akteure</strong> wünschenswert, die<br />
Muslimbrüder könnten ihre Position <strong>in</strong> der Mitte<br />
der Gesellschaft konsolidieren, ohne angesichts salafistischer<br />
Zugkräfte <strong>in</strong>s extrem-islamistische Lager<br />
abzudriften.<br />
In der staatlichen Zusammenarbeit besteht heute<br />
ke<strong>in</strong>e Alternative zur Kooperation mit Repräsentanten<br />
der Muslimbrüder <strong>in</strong> Regierungsämtern. Dies<br />
sollte wenig Probleme darstellen, ist doch die Entwicklungsorientierung<br />
ihrer Agenda deutlich weniger<br />
fragwürdig als die der gewaltbasierten <strong>und</strong> korrupten<br />
Vorgängerdiktatur. Hier besteht zwar ke<strong>in</strong>e<br />
Kongruenz, aber es gibt breite, klar def<strong>in</strong>ierbare <strong>und</strong><br />
relevante Schnittmengen zwischen der Programmatik<br />
der Muslimbrüder <strong>und</strong> <strong>den</strong> Zielen der EZ.<br />
Dies betrifft <strong>in</strong>sbesondere <strong>den</strong> Bereich Wirtschaftsreformen,<br />
sozialer Ausgleich <strong>und</strong> Gerechtigkeit,<br />
menschliche Entwicklung sowie Partizipation, Good<br />
Governance <strong>und</strong> Korruptionsbekämpfung, aber auch<br />
Armutsbekämpfung oder Privatsektorförderung.<br />
Gleichzeitig jedoch müssen drei Punkte bedacht<br />
wer<strong>den</strong>: Erstens geht der E<strong>in</strong>fluss westlicher Geber<br />
auf programmatische Richtungsentscheidungen<br />
sowie die Implementierung von Programmen der<br />
Muslimbrüder gegen null. Nicht nur verfügen die<br />
Muslimbrüder – anders als die Vorgängerregierung<br />
– über h<strong>in</strong>reichende f<strong>in</strong>anzielle Alternativen zu westlicher<br />
Hilfe, sondern sie beziehen ihre Legitimation<br />
zu großen Teilen aus ihrer langjährigen Opposition<br />
zum Regime, als dessen zentrale Unterstützer westliche<br />
Geber gelten. Deren E<strong>in</strong>mischung <strong>in</strong> <strong>in</strong>terne<br />
Angelegenheiten wird bestenfalls mit großer Skepsis<br />
beäugt.<br />
In diesem Zusammenhang genießt zweitens<br />
Deutschland als bilateraler Geber zwar verhältnismäßig<br />
hohes Ansehen, doch wer<strong>den</strong> <strong>in</strong> der jetzigen<br />
Phase des Umbruchs sozio-politisches F<strong>in</strong>gerspitzen-<br />
<strong>und</strong> Taktgefühl im Umgang, Respekt vor der<br />
Tatsache, dass die Bewegung nahezu die Hälfte der<br />
Bevölkerung zu repräsentieren sche<strong>in</strong>t, <strong>und</strong> explizite<br />
Anerkennung der lokalen Prioritäten deutlich höheres<br />
Gewicht haben als zu Zeiten der Zusammenarbeit<br />
mit <strong>den</strong> ancien-regime-Eliten Mubaraks.<br />
Drittens darf e<strong>in</strong>e Weigerung der Muslimbrüder<br />
zur bilateralen Zusammenarbeit auf Ebene der politischen<br />
Partei oder der Bewegung nicht frustrieren,<br />
sondern sollte auch dann weiter angeboten wer<strong>den</strong>,<br />
wenn sie wiederholt abgelehnt wird. Zwar mögen<br />
die arabischen Geber aus dem Golf <strong>den</strong> Muslimbrüdern<br />
derzeit als die bequemeren F<strong>in</strong>anziers gelten,<br />
weil ihre Hilfe mit weniger Konditionalitäten <strong>und</strong><br />
mit e<strong>in</strong>em deutlich ger<strong>in</strong>geren Risiko eigener Legitimitätsverluste<br />
bei Kooperation verb<strong>und</strong>en ist als<br />
die Zusammenarbeit mit westlichen Gebern. Doch<br />
mittelfristig steht zu erwarten, dass sich F<strong>in</strong>anziers<br />
aus <strong>den</strong> Golfstaaten zunehmend <strong>den</strong> Salafisten zuwen<strong>den</strong><br />
<strong>und</strong> diese <strong>in</strong> der Folge auch von <strong>den</strong> Muslimbrüdern<br />
stärker als Konkurrenz <strong>den</strong>n als Alliierte<br />
wahrgenommen wer<strong>den</strong>.<br />
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Abendlicht über <strong>den</strong> M<strong>in</strong>aretten <strong>und</strong> Kuppeln der Moscheen Sultan Hassan <strong>und</strong> der al-Rifa’i <strong>in</strong> der Kairoer Altstadt