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Islamistische und jihadistische Akteure in den Partnerländern ... - GIZ

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2. Rolle <strong>in</strong> <strong>den</strong> Umbrüchen 2011/12<br />

Die Aufstände, die im Dezember 2010 im Landes<strong>in</strong>neren<br />

von Tunesien begannen <strong>und</strong> mit der Flucht<br />

Ben Alis im Januar 2011 endeten, wandten sich primär<br />

gegen sozio-ökonomische Missstände. Getragen<br />

wur<strong>den</strong> sie von der angesichts ihrer Perspektivlosigkeit<br />

tief frustrierten Jugend sowie wirtschaftlich <strong>und</strong><br />

politisch marg<strong>in</strong>alisierten Gruppen, die von massiver<br />

Arbeitslosigkeit, blockierter sozialer Mobilität,<br />

gesellschaftlicher Marg<strong>in</strong>alisierung <strong>und</strong> willkürlicher<br />

Polizeigewalt betroffen waren – <strong>in</strong>sbesondere<br />

im Landes<strong>in</strong>neren <strong>und</strong> <strong>den</strong> westlichen Landesteilen.<br />

Die Proteste griffen jedoch rasch auf das ganze Land<br />

über <strong>und</strong> wur<strong>den</strong> von der UGTT organisatorisch<br />

unterstützt, von deren regionalen Netzwerken die<br />

Protestieren<strong>den</strong> profitieren. Die UGTT hatte <strong>den</strong><br />

Kooptationsversuchen des alten Regimes weitgehend<br />

getrotzt <strong>und</strong> war Arbeitnehmerbelangen treu geblieben.<br />

Sie spielte e<strong>in</strong>e entschei<strong>den</strong>de Rolle <strong>in</strong> der geographischen<br />

Ausdehnung der Proteste <strong>und</strong> hatte u.a.<br />

durch Ankündigung e<strong>in</strong>es Generalstreiks <strong>den</strong> Druck<br />

auf das Regime massiv erhöht (ICG 2011, 3-8).<br />

Tunesiens politische Parteien hatten wenig Anteil an<br />

<strong>den</strong> Protesten. Die Aufstände waren zwar hochpolitisiert,<br />

folgten jedoch ke<strong>in</strong>er konkreten politischen<br />

Ideologie. Mitglieder zahlreicher Parteien <strong>und</strong> Bewegungen<br />

verschie<strong>den</strong>er Couleur beteiligten sich an<br />

<strong>den</strong> Protesten. So nahmen legale (Parti Démocrate<br />

Progressiste (PDP); Tajdid) wie auch illegale Oppositionsparteien<br />

(Parti communiste des ouvriers de<br />

Tunisie (PCOT); arabisch-nationalistische Parteien)<br />

an <strong>den</strong> Demonstrationen teil <strong>und</strong> waren gleichermaßen<br />

von repressiven Maßnahmen betroffen. Da die<br />

Strukturen der an-Nahda fast vollständig zerschlagen<br />

wor<strong>den</strong> waren <strong>und</strong> ihre personelle Stärke auf etwa<br />

50 Mitglieder geschätzt wurde (ICG 2011, 8), war<br />

die Beteiligung der an-Nahda ger<strong>in</strong>g. Nicht zuletzt<br />

wird auch Persistenz des tunesischen Autoritarismus<br />

bis 2011 auf e<strong>in</strong>e extrem zersplitterte Opposition<br />

zurückgeführt, die das Regime nicht geschlossen<br />

herausfordern konnte. Doch die Zurückhaltung der<br />

Islamisten bei <strong>den</strong> Protesten ist auch auf pragmatische<br />

Überlegungen zurückzuführen: Die tunesischen<br />

Islamisten wollten e<strong>in</strong>e Niederschlagung der Proteste<br />

unter dem Vorwand des „Kampfes gegen <strong>den</strong> Terror“<br />

vermei<strong>den</strong>. Darüber h<strong>in</strong>aus argumentierten Vertreter<br />

der an-Nahda plausibel, dass deutlichere Versuche,<br />

die an-Nahda oder andere Gruppierungen während<br />

der Proteste als dezidiert religiöse <strong>Akteure</strong> zu<br />

profilieren sehr wahrsche<strong>in</strong>lich zu e<strong>in</strong>er Spaltung der<br />

Opposition geführt hätte, die gerade erstmals gegen<br />

das Regime gee<strong>in</strong>t war (ICG 2011, 8-9).<br />

3. Gegenwärtig ausgeübte Rolle<br />

Die an-Nahda bef<strong>in</strong>det sich nicht nur erstmalig <strong>in</strong><br />

Regierungsverantwortung, sondern musste <strong>in</strong>folge<br />

des Sturzes Ben Alis aus dem Exil <strong>und</strong> aus <strong>den</strong> Gefängnissen<br />

heraus zunächst <strong>in</strong> die tunesische Gesellschaft<br />

zurückf<strong>in</strong><strong>den</strong>. Trotz fehlender Basis im Land<br />

gelang es ihr, e<strong>in</strong>e beachtliche Wählerschaft zu mobilisieren,<br />

mit 89 von 217 Abgeordneten <strong>in</strong> die Verfassunggebende<br />

Versammlung (L’Assemblée Nationale<br />

Constituante, ANC) e<strong>in</strong>zuziehen, <strong>und</strong> <strong>in</strong>nerhalb kurzer<br />

Zeit effektive Organisationstrukturen zu etablieren.<br />

Im Oktober 2011 g<strong>in</strong>g die an-Nahda, geme<strong>in</strong>sam<br />

mit <strong>den</strong> laizistischen Parteien Congrès pour la<br />

République (CPR) <strong>und</strong> Ettakatul (arab. Forum, Abk.<br />

für Demokratisches Forum für Arbeit <strong>und</strong> Freiheit)<br />

als Sieger aus <strong>den</strong> Wahlen zum ANC hervor. Die<br />

neue Koalition spiegelt im ANC vertretene Kräfte<br />

durch M<strong>in</strong>isterpräsi<strong>den</strong>t Jabali (Generalsekretär der<br />

an-Nahda), Staatspräsi<strong>den</strong>t Marzouki (CPR) <strong>und</strong><br />

Parlamentspräsi<strong>den</strong>t Ben Jaafar (Ettakatul) wider.<br />

Im August 2012 legte die ANC e<strong>in</strong>en Verfassungsentwurf<br />

vor, der viele Diskussionen um ihren religiösen<br />

Konservatismus <strong>und</strong> die Ernsthaftigkeit<br />

ihrer Demokratisierungsabsichten auslöste. Dieser<br />

Entwurf ist im Ergebnis e<strong>in</strong> Symptom der komplizierten<br />

Konsenssuche <strong>in</strong>nerhalb der Nahada selbst,<br />

<strong>in</strong>nerhalb des ANC, des gesamten Akteursspektrums<br />

<strong>in</strong> Tunesien, <strong>und</strong> mit externen <strong>Akteure</strong>n. Die an-<br />

Nahda ist dem Druck säkularer <strong>und</strong> salafistischer<br />

Kräfte wie auch externer <strong>Akteure</strong> gleichermaßen<br />

ausgesetzt. Sie präsentiert sich <strong>in</strong> diesem „Dreieck“<br />

e<strong>in</strong>erseits als progressiv <strong>und</strong> reformorientiert, muss<br />

zugleich aber konservative Stimmen <strong>in</strong>nerhalb ihrer<br />

Reihen beschwichtigen, um die Abwanderung von<br />

Anhängern an die salafistische Bewegung zu verh<strong>in</strong>dern.<br />

Gleichzeitig versucht sie e<strong>in</strong>en Modus Operandi<br />

mit <strong>den</strong> salafistischen Kräften zu f<strong>in</strong><strong>den</strong>, um deren<br />

weitere Radikalisierung <strong>und</strong> <strong>den</strong> Ausbruch erneuter<br />

Unruhen zu verh<strong>in</strong>dern. Jene Konsenssuche manifestiert<br />

sich gegenwärtig <strong>in</strong> mangelnder Str<strong>in</strong>genz<br />

der vertretenen Positionen sowie e<strong>in</strong>em Schl<strong>in</strong>ger-<br />

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