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Islamistische und jihadistische Akteure in den Partnerländern ... - GIZ

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Reformen effektiv durchsetzen zu können, wäre zudem<br />

e<strong>in</strong> tiefgreifender Personalwechsel <strong>in</strong> M<strong>in</strong>isterien,<br />

Bürokratie wie auch <strong>in</strong> <strong>den</strong> Medien nötig, <strong>den</strong>n<br />

dort s<strong>in</strong>d die Günstl<strong>in</strong>ge des alten Regimes noch besonders<br />

zahlreich (Werenfels 2011, 3-4). Zwar hat<br />

die an-Nahda begonnen, Personal auszutauschen,<br />

doch trug ihr dies bereits <strong>den</strong> Vorwurf der Machtmonopolisierung<br />

e<strong>in</strong> (Talbi 2012). Künftig gilt<br />

es zu beobachten, <strong>in</strong>wieweit sich die an-Nahda an<br />

Machtteilungsarrangements halten wird. Denn die<br />

wichtigste Herausforderung ist die Konsensf<strong>in</strong>dung<br />

<strong>in</strong>nerhalb ihrer Reihen sowie <strong>in</strong>nerhalb des tunesischen<br />

Akteursspektrums <strong>in</strong>sgesamt.<br />

Jüngster Ausdruck <strong>in</strong>tern gegensätzlicher Positionen,<br />

die der Glaubwürdigkeit der an-Nahda scha<strong>den</strong>, ist<br />

der vage <strong>und</strong> bisweilen <strong>in</strong>konsistente Verfassungsentwurf<br />

vom August 2012. Menschenrechtsorganisationen<br />

kritisieren mehrere Artikel, die nicht mit der<br />

Allgeme<strong>in</strong>en Erklärung der Menschenrechte vere<strong>in</strong>bar<br />

s<strong>in</strong>d, u.a. was Religionsfreiheit anbelangt. Auch<br />

bleibt unklar, wie Atheismus oder Glaubenswechsel<br />

verfassungsrechtlich geschützt wer<strong>den</strong>. Besonders<br />

problematisch ist Artikel 28, der das Pr<strong>in</strong>zip der<br />

Gleichberechtigung der Geschlechter nicht erwähnt<br />

<strong>und</strong> die Rolle von Mann <strong>und</strong> Frau <strong>in</strong> der Familie<br />

lediglich als „komplementär“ beschreibt (HRW<br />

2012). 1<br />

Die an-Nahda, sowie CPR <strong>und</strong> Ettakatul wur<strong>den</strong> im<br />

Oktober 2011 gewählt, weil sie die größte Ferne zum<br />

alten Regime aufwiesen <strong>und</strong> damit am Glaubwürdigsten<br />

wirkten. Um diese Glaubwürdigkeit nicht zu<br />

verspielen <strong>und</strong> damit <strong>den</strong> extremistischen Salafisten<br />

<strong>in</strong> die Hände zu spielen, sollte auch Europa Geduld<br />

<strong>und</strong> Offenheit üben; bislang je<strong>den</strong>falls ist ke<strong>in</strong> konkretes<br />

Indiz erkennbar, welcher das Demokratisierungs<strong>in</strong>teresse<br />

der an-Nahda im Gr<strong>und</strong>satz <strong>in</strong> Frage<br />

stellt (Werenfels 2012, 4).<br />

gerechtes Leben <strong>in</strong> Freiheit <strong>und</strong> Menschenwürde garantieren<br />

soll. In dem Verfassungsentwurf von 2012<br />

wurde aufgr<strong>und</strong> notwendiger Kompromisse mit laizistischen<br />

Kräften die Sharia als Quelle der Rechtsf<strong>in</strong>dung<br />

bislang nicht <strong>in</strong>tegriert. Es gibt bislang wenig<br />

begründete Zweifel daran, dass die an-Nahda<br />

bereit ist, demokratische Spielregeln e<strong>in</strong>zuhalten.<br />

Parteienpluralismus wird gefördert, Gewaltenteilung,<br />

freies <strong>und</strong> faires Wahlrecht sowie e<strong>in</strong>e aktive<br />

Zivilgesellschaft wer<strong>den</strong> ebenso unterstützt <strong>und</strong> befördert.<br />

In Bezug auf die Glaubens- <strong>und</strong> Me<strong>in</strong>ungsfreiheit<br />

jedoch existiert – wie erwähnt – Korrekturbedarf<br />

am Verfassungsentwurf, was möglicherweise<br />

auf die Konsenssuche der an-Nahda mit konservativeren<br />

Kräften verweist; e<strong>in</strong>e endgültige Beurteilung<br />

hierzu wäre zum jetzigen Zeitpunkt (Ende 2012)<br />

jedoch verfrüht.<br />

Zur Position der an-Nahda h<strong>in</strong>sichtlich von Frauenrechten<br />

lässt sich ebenfalls ke<strong>in</strong>e letztgültige Aussage<br />

treffen: Es herrschen offenk<strong>und</strong>ige Positionsdifferenzen<br />

<strong>in</strong>nerhalb der an-Nahda selbst wie auch im tunesischen<br />

Akteursspektrum <strong>in</strong>sgesamt. Die an-Nahda<br />

spricht sich e<strong>in</strong>erseits für <strong>den</strong> Erhalt der tunesischen<br />

Errungenschaften im Bereich der Frauenrechte aus,<br />

doch sorgt die Formulierung des Verfassungsartikels<br />

28 zur „ergänzen<strong>den</strong>“ anstatt „gleichwertigen“ Rolle<br />

der Frau für begründete Besorgnis (Lübben 2012).<br />

Der Ausgang der Verfassungsdiskussion 2013 wird<br />

hier mehr Klarheit schaffen.<br />

4. Politische <strong>und</strong> gesellschaftliche<br />

Zielvorstellungen<br />

Die an-Nahda weist nur sehr allgeme<strong>in</strong>e Bezüge zum<br />

Islam auf. Er dient als kultureller Referenzrahmen<br />

im Modernisierungsprozess, um moralische Leitl<strong>in</strong>ien<br />

politischer <strong>und</strong> wirtschaftlicher Reformen abzustecken.<br />

Der Islam wird zudem als I<strong>den</strong>titätsmerkmal<br />

der tunesischen Gesellschaft verstan<strong>den</strong>, der e<strong>in</strong><br />

Begehrte Ware im Bazar. Seit <strong>den</strong> Wahlgew<strong>in</strong>nen der Islamisten prägen<br />

Kopftücher zunehmend das Bild der Hautstadt Tunis<br />

1<br />

Dieser Verfassungsentwurf wurde zum Zeitpunkt der Erstellung dieser Dokumentation diskutiert <strong>und</strong> soll im April 2013<br />

der Verfassungsgeben<strong>den</strong> Versammlung zur Abstimmung übergeben wer<strong>den</strong> (Guillot 2012).<br />

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