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Islamistische und jihadistische Akteure in den Partnerländern ... - GIZ

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se begegnen konnte. Die Ausschreitungen um <strong>den</strong><br />

Verfassungsentwurf je<strong>den</strong>falls dürften ihrer Glaubwürdigkeit<br />

geschadet haben (Brown 2012a).<br />

4. Politische <strong>und</strong> gesellschaftliche<br />

Zielvorstellungen<br />

Die Muslimbruderschaft hat über die Jahrzehnte<br />

e<strong>in</strong>en evolutionären Wandel ihrer raison d’être vollzogen.<br />

Für al-Banna war sie e<strong>in</strong>e missionsorientierte<br />

Sozialbewegung, die <strong>den</strong> neuen islamischen Menschen<br />

schaffen <strong>und</strong> so der ägyptischen Gesellschaft<br />

zu Gerechtigkeit <strong>und</strong> Freiheit verhelfen sollte. Der<br />

Blick auf Fremdherrschaft als Ausgangspunkt für die<br />

soziale Ungerechtigkeit machte <strong>den</strong> Islam zur Kampfideologie<br />

<strong>und</strong> schloss Gewalt auf dem Weg zur Unabhängigkeit<br />

nicht aus.<br />

Im Zuge ihrer Erfahrungen zwischen kontrollierter<br />

E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung <strong>und</strong> Verfolgung schwor sie der Gewalt<br />

ab <strong>und</strong> setzte erstmals 1994 e<strong>in</strong> politisches Programm<br />

auf, das sich <strong>in</strong> 13 Artikeln zu Parteienpluralismus,<br />

zum Pr<strong>in</strong>zip des demokratischen Machtwechsels <strong>und</strong><br />

parlamentarischen Beratungs<strong>in</strong>stitutionen bekannte.<br />

In nachfolgen<strong>den</strong> Erklärungen bekannte sich die<br />

Bruderschaft zu Pr<strong>in</strong>zipien der Rechtstaatlichkeit,<br />

Me<strong>in</strong>ungsfreiheit, Menschenrechte sowie der Gewaltenteilung.<br />

Der realpolitische Pragmatisierungsprozess<br />

zeichnete sich zudem durch ihre glaubwürdigen<br />

Entwürfe für e<strong>in</strong>e Wirtschafts- <strong>und</strong> Sozialreform<br />

aus, was heute e<strong>in</strong>en zentralen Punkt ihrer Agenda<br />

darstellt. Das Programm von 1994 be<strong>in</strong>haltete somit<br />

e<strong>in</strong>e gewaltfreie Reformstrategie <strong>in</strong>nerhalb des<br />

politischen Systems unter islamischen Vorzeichen.<br />

Die Ursachen für soziale Ungerechtigkeit wur<strong>den</strong> <strong>in</strong><br />

schlechter Regierungsführung gesehen (Korruption<br />

der politischen Eliten <strong>und</strong> Günstl<strong>in</strong>gswirtschaft),<br />

welche ihrerseits aufgr<strong>und</strong> fehlender Partizipation,<br />

Gewaltenteilung <strong>und</strong> Rechtstaatlichkeit existieren<br />

konnte.<br />

Programme <strong>und</strong> Positionspapiere, wie auch jüngst<br />

das Renaissance-Projekt von 2011, s<strong>in</strong>d Ausdruck des<br />

Wandels der Muslimbruderschaft h<strong>in</strong> zu e<strong>in</strong>er Partei<br />

mit realpolitischem Programm, der freilich stets von<br />

<strong>in</strong>neren Flügelkämpfen begleitet war. Offizielle Programme<br />

formulieren daher stets Mittelpositionen,<br />

um die Abspaltung konservativer wie progressiver<br />

Anhänger zu verh<strong>in</strong>dern. Um die Festlegung dieser<br />

Positionen wird – gerade mit Blick auf Familien-<br />

<strong>und</strong> Frauenpolitik – bis heute heftig gerungen,<br />

was bisweilen zu programmatischen Widersprüchen<br />

führt.<br />

Gerade <strong>in</strong> der Frauenpolitik wird die Heterogenität<br />

der Muslimbruderschaft sehr deutlich. Zum e<strong>in</strong>en<br />

wird e<strong>in</strong>e aktive gesellschaftliche Rolle der Frau befürwortet.<br />

Dies geschieht jedoch unter der Prämisse,<br />

dass solche Aktivität nicht auf Kosten ihrer familiären<br />

Pflichten stattf<strong>in</strong><strong>den</strong> darf. E<strong>in</strong>e Vernachlässigung<br />

der korrekten Moral könne e<strong>in</strong>en gesellschaftlichen<br />

Werteverfall nach sich ziehen, der wirtschaftlich,<br />

sozial <strong>und</strong> politisch zu Ausbeutung, sozialer Ungerechtigkeit<br />

<strong>und</strong> Unterdrückung führen könne. Die<br />

Aufgabe des Staates <strong>in</strong> der Frauenpolitik sehen die<br />

Muslimbrüder dar<strong>in</strong>, Frauen die Vere<strong>in</strong>barung beider<br />

Rollen zu ermöglichen.<br />

Das Renaissance-Projekt von 2011 <strong>und</strong> das Programm<br />

der Partei für Freiheit <strong>und</strong> Gerechtigkeit<br />

bekennen sich wie ihre Vorläufer zu <strong>den</strong> Gr<strong>und</strong>pr<strong>in</strong>zipien<br />

e<strong>in</strong>er demokratischen Ordnung basierend<br />

auf Volkssouveränität, Gewaltenteilung, freien <strong>und</strong><br />

fairen Wahlen, politischen Rechten <strong>und</strong> bürgerlichen<br />

Freiheiten sowie Gleichheit vor dem Gesetz,<br />

gewährleistet durch gute Regierungsführung <strong>und</strong><br />

Verantwortlichkeit gegenüber dem Volk. Hervorgehoben<br />

wer<strong>den</strong> <strong>in</strong> dem von der Muslimbruderschaft<br />

vorgesehenen System soziale Verantwortung <strong>und</strong> die<br />

Gleichheit von Mann <strong>und</strong> Frau vor Gott.<br />

Wirtschaftspolitisch zentral bleibt menschliche Entwicklung,<br />

da Humankapital als entschei<strong>den</strong>de Voraussetzung<br />

für nachhaltige Wirtschaftsentwicklung<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Marktordnung gesehen wird. Ebenso wird<br />

die Rolle von Bildung für Wirtschaftsreformen betont:<br />

Verbesserte Qualifikationen s<strong>in</strong>d demnach<br />

notwendig für e<strong>in</strong>e erhöhte ägyptische Konkurrenzfähigkeit<br />

auf dem Weltmarkt (Roll 2012a). Entsprechend<br />

befürworten die Muslimbrüder e<strong>in</strong>e aktive<br />

Rolle Ägyptens im Welthandel – allerd<strong>in</strong>gs unter<br />

Umgestaltung der Freihandelsabkommen mit <strong>den</strong><br />

USA <strong>und</strong> der EU, um eigene Exporte konkurrenzfähiger<br />

zu machen. Die Rolle des Staates <strong>in</strong> dieser<br />

wirtschaftsliberalen Vision liegt <strong>in</strong> der Korruptionsbekämpfung,<br />

Preiskontrolle <strong>und</strong> Technologieförderung<br />

sowie der Privatsektorförderung, um fairen<br />

Wettbewerb zu garantieren. Die angestrebte Sozial-<br />

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