11.11.2013 Aufrufe

Islamistische und jihadistische Akteure in den Partnerländern ... - GIZ

Islamistische und jihadistische Akteure in den Partnerländern ... - GIZ

Islamistische und jihadistische Akteure in den Partnerländern ... - GIZ

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Die an-Nahda Partei Tunesiens<br />

Wirtschaftspolitisch setzt sich die an-Nahda für<br />

freie, aber sozial flankierte Marktwirtschaft sowie für<br />

die Reduzierung regionaler <strong>und</strong> sozialer Disparitäten<br />

e<strong>in</strong>. Makrostrukturell unterstützt die an-Nahda Exportorientierung<br />

e<strong>in</strong>schließlich der E<strong>in</strong>richtung von<br />

Freihandelszonen. Die wirtschaftspolitische Agenda<br />

der an-Nahda ist somit nahtlos anschlussfähig an<br />

europäische Wirtschaftspolitiken. Bildung genießt<br />

aufgr<strong>und</strong> ihrer Entwicklungsrelevanz weiterh<strong>in</strong> hohe<br />

Priorität, wobei hier gerade im Hochschulsektor<br />

salafistische Umtriebe <strong>und</strong> der bislang zögerliche<br />

Umgang der an-Nahda hiermit e<strong>in</strong>e Erneuerung erschweren.<br />

5. Bedeutung der an-Nahda für die EZ<br />

Mit ihrem relativen Sieg <strong>in</strong> <strong>den</strong> Wahlen 2011 zur<br />

Verfassungsgeben<strong>den</strong> Versammlung <strong>und</strong> ihrer Regierungsbeteiligung<br />

ist die an-Nahda zum offiziellen<br />

Partner westlicher Regierungen gewor<strong>den</strong>. Dies<br />

stellt die deutsche Entwicklungszusammenarbeit<br />

deshalb vor gewachsene Herausforderungen, weil<br />

(ähnlich wie <strong>in</strong> Ägypten) e<strong>in</strong> rascher sozio-ökonomischer<br />

Aufschwung notwendig ersche<strong>in</strong>t, um das<br />

Land voranzubr<strong>in</strong>gen, <strong>und</strong> dieses e<strong>in</strong>e Verstärkung<br />

des Engagements nahelegt. Auch bietet derzeit ke<strong>in</strong><br />

arabisches Land ähnlich vielversprechende Demokratisierungsaussichten<br />

wie Tunesien, was ebenfalls<br />

für e<strong>in</strong> verstärktes Engagement spräche, um gegenwärtige<br />

Opportunitätsfenster nicht ungenutzt verstreichen<br />

zu lassen.<br />

Andererseits ließ die an-Nahda als größte Partei<br />

2012 verschie<strong>den</strong>tlich Zweifel aufkommen, ob e<strong>in</strong>e<br />

2013 zu wählende <strong>und</strong> voraussichtlich von ihr geführte<br />

Regierung tatsächlich alle Menschenrechte<br />

e<strong>in</strong>schließlich religiöser Rechte von Nicht-Muslimen<br />

sowie Frauenrechte so vehement verteidigen wird,<br />

wie ihre Vertreter dies verschie<strong>den</strong>tlich geäußert hatten.<br />

Ambivalente Verfassungsartikel sowie e<strong>in</strong> <strong>in</strong>konsequenter<br />

Umgang mit extremistischem Salafismus<br />

im Land lassen Fragen offen.<br />

Im regionalen Kontext stellt die an-Nahda e<strong>in</strong>e Besonderheit<br />

dar, da sie die erste <strong>und</strong> bislang e<strong>in</strong>zige<br />

Partei ist, die <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em demokratischen politischen<br />

System Regierungsverantwortung <strong>in</strong>nehat (zwar s<strong>in</strong>d<br />

auch die ägyptischen Muslimbrüder durch freie <strong>und</strong><br />

faire Wahlen legitimiert, doch das dortige System<br />

<strong>in</strong>sgesamt erfüllt nicht die Kriterien e<strong>in</strong>er Demokratie,<br />

da <strong>in</strong>sbesondere das Militär nach wie vor e<strong>in</strong>e<br />

starke <strong>und</strong>emokratische Vetomacht darstellt). Insofern<br />

ließe sich ihr e<strong>in</strong>e Vorreiterrolle auch im S<strong>in</strong>ne<br />

e<strong>in</strong>es role model für Schwesterparteien im regionalen<br />

Umfeld, zuschreiben, was ihr potenziell Bedeutung<br />

weit über Tunesien h<strong>in</strong>aus verleiht – vorausgesetzt,<br />

sie wäre bereit <strong>und</strong> <strong>in</strong> der Lage, demokratisch-rechtsstaatliche<br />

Pr<strong>in</strong>zipien unkompromittiert als F<strong>und</strong>ament<br />

des politischen Prozesses nicht nur zu akzeptieren,<br />

sondern diese aktiv zu <strong>in</strong>stitutionalisieren. Ke<strong>in</strong>e<br />

der anderen politischen Parteien <strong>in</strong> Tunesien ist stark<br />

genug, diese Aufgabe wahrzunehmen oder durchzusetzen,<br />

so dass die Frage e<strong>in</strong>er demokratischen<br />

Konsolidierung Tunesiens maßgeblich vom künftigen<br />

Verhalten der an-Nahda abhängen wird. E<strong>in</strong><br />

weniger optimistisches Szenario könnte das Abgleiten<br />

des Landes <strong>in</strong> e<strong>in</strong> religiöses Hybrid-System mit<br />

nicht-demokratischen Gewaltakteuren <strong>in</strong>nerhalb<br />

e<strong>in</strong>es formal pluralistischen, jedoch de facto deutlich<br />

weniger als demokratischen politischen Regimetypus<br />

be<strong>in</strong>halten. Dies wird umso wahrsche<strong>in</strong>licher,<br />

je weniger die an-Nahda bereit ist, aktiv als Hüter<br />

der neuen pluralistischen Ordnung auch gegenüber<br />

extremistischen Glaubensgenossen aufzutreten <strong>und</strong><br />

deren Aktivitäten rechtsstaatlich zu unterb<strong>in</strong><strong>den</strong>.<br />

Ihre E<strong>in</strong>bettung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Koalition etwa mit CPR <strong>und</strong><br />

Ettakatul auch nach <strong>den</strong> kommen<strong>den</strong> Wahlen böte<br />

gute Ausgangsbed<strong>in</strong>gungen für e<strong>in</strong>e Politik der demokratischen<br />

Konsolidierung, welche die an-Nahda<br />

<strong>in</strong> der Transitionsphase bislang <strong>in</strong> Teilbereichen, aber<br />

nicht vollständig erkennen ließ.<br />

Staatliche EZ mit e<strong>in</strong>er Regierung unter an-Nahda-<br />

Führung oder -Beteiligung wird weiterh<strong>in</strong> relativ reibungsfrei<br />

verlaufen, soweit es technische Kooperation<br />

<strong>in</strong> <strong>den</strong> bisherigen Schwerpunktthemen deutscher<br />

Kooperation mit Tunesien (etwa Wirtschaftsförderung<br />

oder Umwelt) betrifft. Doch sollte verstärkt<br />

darauf geachtet wer<strong>den</strong>, <strong>in</strong> Sachen Gleichstellung,<br />

M<strong>in</strong>derheitenschutz <strong>und</strong> Menschenrechten e<strong>in</strong>deutige<br />

<strong>und</strong> öffentliche Positionierungen von der an-<br />

Nahda als größter politischer Partei zu erhalten <strong>und</strong><br />

ihre Vertreter wie Anhänger direkt <strong>in</strong> Maßnahmen<br />

auf diesen Gebieten e<strong>in</strong>zub<strong>in</strong><strong>den</strong>.<br />

52<br />

Historische Kacheln <strong>in</strong> der Altstadt von Tunis. Verziert mit Musik- <strong>und</strong> Tanzmotiven kün<strong>den</strong> sie von e<strong>in</strong>em lebensbejahen<strong>den</strong><br />

Islam. Für viele Salafisten ist dies e<strong>in</strong>e Fehlentwicklung, sie wünschen sich zurück <strong>in</strong> die Zeit e<strong>in</strong>es frühislamischen Purismus

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!