Islamistische und jihadistische Akteure in den Partnerländern ... - GIZ
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Die an-Nahda Partei Tunesiens<br />
Hohe Jugendarbeitslosigkeit <strong>und</strong> e<strong>in</strong>e schwächelnde Wirtschaft s<strong>in</strong>d die größten<br />
Herausforderungen für die tunesische Übergangsregierung<br />
kurs <strong>in</strong> etlichen Themenbereichen (etwa: Alkoholgenuss,<br />
Frauenrechte, allg. im Umgang mit Salafisten<br />
(Werenfels 2011, 1-4; s.u.)).<br />
Bis zu <strong>den</strong> Protesten 2012 <strong>und</strong> e<strong>in</strong>em Angriff auf<br />
die örtliche US-Botschaft reagierte die an-Nahda<br />
zögerlich auf krim<strong>in</strong>elle Aktivitäten salafistischer<br />
Gruppierungen, was ihr <strong>den</strong> Vorwurf e<strong>in</strong>trug, sich<br />
die Salafisten als „Miliz“ zu halten, um verdeckte<br />
Islamisierungsbestrebungen gewaltsam durchzusetzen<br />
(Marks 2012). Seither ist – auch <strong>in</strong>folge USamerikanischen<br />
Drucks – e<strong>in</strong>e klarere Rhetorik <strong>und</strong><br />
str<strong>in</strong>gentere Verfolgung von Straftaten beobachtbar.<br />
Im Gegensatz dazu stehen Berichte über konspirative<br />
Gespräche zwischen dem an-Nahda-Vorsitzen<strong>den</strong><br />
Ghannouchi <strong>und</strong> salafistischen Kräften zum Umgang<br />
mit Säkularisten (Abdel Rahim 2012). Die Strategie<br />
der an-Nahda im Umgang mit Salafisten bleibt somit<br />
auch 2013 widersprüchlich. Statt mit <strong>den</strong> Mitteln<br />
des Rechtsstaats konsequent gegen salafistisch motivierte<br />
Straftaten vorzugehen, sucht die an-Nahda –<br />
<strong>in</strong>sbesondere junge – salafistische <strong>Akteure</strong> <strong>in</strong> das politische<br />
System zu <strong>in</strong>tegrieren, um so <strong>den</strong> Ausbruch<br />
erneuter Unruhen zu verh<strong>in</strong>dern. Doch mehren sich<br />
destabilisierende salafistische Übergriffe auch auf Sicherheitsbeamte<br />
(Maarouf 2012; Al-Hayat 2012),<br />
was nicht im Interesse der an-Nahda liegen kann.<br />
Es wird spekuliert, dass die an-Nahda<br />
e<strong>in</strong>e Dämonisierung der salafistischen<br />
Bewegung vermeidet, um diese nicht<br />
weiter <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e systemfe<strong>in</strong>dliche Position<br />
zu drängen, sondern <strong>in</strong> die Rolle<br />
e<strong>in</strong>er systemimmanenten Opposition<br />
zu br<strong>in</strong>gen versucht (Marks 2012).<br />
Künftig aber wird die an-Nahda krim<strong>in</strong>elle<br />
Aktivitäten gleich welchen<br />
Ursprungs rechtstaatlich verfolgen<br />
müssen, was derzeit nur unvollständig<br />
geschieht. Andernfalls verliert sie<br />
als demokratisierende Kraft weiter an<br />
Glaubwürdigkeit. Zudem muss die<br />
jetzige Regierung angesichts wachsender<br />
gesellschaftlicher Unzufrie<strong>den</strong>heit<br />
über die mangelhafte Sicherheitslage<br />
das Gewaltmonopol <strong>in</strong> staatliche<br />
Hände zurückbr<strong>in</strong>gen.<br />
Die an-Nahda ist gr<strong>und</strong>sätzlich an Stabilität <strong>in</strong>teressiert,<br />
um e<strong>in</strong> Klima etablieren zu können, <strong>in</strong> welchem<br />
die Verbesserung der Lebensbed<strong>in</strong>gungen ihrer<br />
Klientel (gebildete Mittelschichten) zeitnah über<br />
wirtschaftliche <strong>und</strong> politische Reformen erreicht<br />
wer<strong>den</strong> soll. Derzeit aber wächst die Unzufrie<strong>den</strong>heit<br />
nicht nur über die Sicherheitslage, sondern auch<br />
über ausbleibende Reformen. So konnte die neu gegründete<br />
Nida Tunis (Ruf Tunesiens) <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>es<br />
l<strong>in</strong>ken Bündnisses an Popularität gew<strong>in</strong>nen, obwohl<br />
viele ihrer Mitglieder Sympathisanten des alten Regimes<br />
s<strong>in</strong>d (Libération 2012). Auch der künftige<br />
Umgang mit dieser ernstzunehmen<strong>den</strong> Opposition<br />
wird Aufschluss über die Substanz des Demokratieverständnisses<br />
der an-Nahda geben.<br />
Die Transitionsphase stellt die an-Nahda <strong>in</strong> ihrer<br />
neuen Rolle als Regierungspartei vor vielfältige Herausforderungen<br />
<strong>und</strong> erfordert Reformen, um bisherige<br />
politische, soziale <strong>und</strong> wirtschaftliche Schieflagen<br />
auszugleichen. Wirtschaftsreformen sollen neue<br />
Investitionen anziehen <strong>und</strong> <strong>den</strong> Tourismussektor<br />
revitalisieren, um so Arbeitsplätze zu schaffen – gerade<br />
vor dem H<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong> hoher Erwartungen der<br />
an-Nahda-Wählerschaft. Auf politischer Ebene müssen<br />
die Prov<strong>in</strong>zen des Landes<strong>in</strong>neren sowie die Interessen<br />
Jugendlicher stärker im Parlament vertreten<br />
se<strong>in</strong>. Bislang zählen die meisten Entscheidungsträger<br />
<strong>in</strong>nerhalb der an-Nahda zur älteren Generation. Um<br />
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