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Islamistische und jihadistische Akteure in den Partnerländern ... - GIZ

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Die Taliban <strong>in</strong> Afghanistan<br />

Im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>es detaillierten Verhaltenskodexes verfügen<br />

die Taliban über e<strong>in</strong> Regelwerk, das zuletzt<br />

2010 aktualisiert wurde. Die Layeha umfasst e<strong>in</strong>e<br />

detaillierte Auflistung von Verhaltensregeln für Taliban-Kämpfer<br />

gegenüber Zivilisten, Gefangenen,<br />

Ausländern <strong>und</strong> Spionen <strong>und</strong> def<strong>in</strong>iert <strong>den</strong> Jihad,<br />

der zur Wiedererrichtung des Emirats führen soll.<br />

Die umstrittensten Artikel hier<strong>in</strong> betreffen <strong>den</strong> Umgang<br />

mit der Zivilbevölkerung. Gr<strong>und</strong>sätzlich sollen<br />

die Kämpfer das Lei<strong>den</strong> der Bevölkerung unter<br />

dem gegenwärtigen System been<strong>den</strong> <strong>und</strong> sie aus <strong>den</strong><br />

Kämpfen heraushalten. So schreiben mehrere Artikel<br />

(Artikel 48, 62, 64 <strong>und</strong> 76) vor, dass zivile Opfer<br />

vermie<strong>den</strong> wer<strong>den</strong> sollen. Es dürfen ke<strong>in</strong>e Entführungen<br />

zum Zweck der Erpressung stattf<strong>in</strong><strong>den</strong>, da<br />

sie krim<strong>in</strong>elle Aktivitäten darstellten <strong>und</strong> damit<br />

nicht im S<strong>in</strong>ne des Jihad seien (Artikel 73). Dennoch<br />

bekannten sich die Taliban seit 2003 wiederholt zu<br />

Entführungen <strong>und</strong> erpressten Lösegelder. Die Taliban<br />

selbst führen als Rechtfertigung hierfür die Nationalität<br />

der Opfer <strong>in</strong>s Feld: Vielfach waren diese ausländische<br />

Staatsbürger, auf welche die Layeha ke<strong>in</strong>en<br />

konkreten Bezug nimmt (Clark 2011, 13). Was <strong>den</strong><br />

Umgang mit Krankenhäusern, Schulen <strong>und</strong> NGOs<br />

anbelangt, fehlen konkrete Handlungsanleitungen,<br />

jedoch weist die überarbeitete Version der Layeha<br />

von 2010 auf die Notwendigkeit jener Institutionen<br />

h<strong>in</strong>, die <strong>in</strong> früheren Versionen ke<strong>in</strong>em Schutz unterstan<strong>den</strong><br />

(ebd., 8-16).<br />

Selbstmordattentate wer<strong>den</strong> ten<strong>den</strong>ziell abgelehnt, da<br />

sie zunächst <strong>den</strong> sicheren Verlust des Kämpfers bedeuten<br />

<strong>und</strong> ihnen Zivilisten zum Opfer fallen können.<br />

Die Kämpfer s<strong>in</strong>d außerdem aufgefordert, bei ihren<br />

Operationen zwischen Kombattanten <strong>und</strong> Nicht-<br />

Kombattanten zu unterschei<strong>den</strong>, was bei Selbstmordattentaten<br />

oft nicht möglich ist (ebd., 26). Dennoch<br />

bekannten sich die Taliban seit 2003 zu e<strong>in</strong>er Vielzahl<br />

an Selbstmordanschlägen <strong>und</strong> haben auch Anschläge<br />

anderer <strong>Akteure</strong> unterstützt, ohne dass deshalb die<br />

Layeha entsprechend geändert wor<strong>den</strong> wäre. Möglicherweise<br />

wur<strong>den</strong> solche Maßnahmen als „Notwendigkeit“<br />

im Kampf gegen e<strong>in</strong>en übermächtig ersche<strong>in</strong>en<strong>den</strong><br />

Gegner <strong>in</strong> Kauf genommen.<br />

5. Bedeutung der Taliban für die EZ<br />

Die Taliban stellen die Entwicklungszusammenarbeit<br />

vor e<strong>in</strong>e besondere Herausforderung, da sie sie<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Dilemma-Situation br<strong>in</strong>gen: E<strong>in</strong>erseits widersprechen<br />

die gesellschaftlichen <strong>und</strong> politischen<br />

Zielsetzungen der Taliban f<strong>und</strong>amental <strong>den</strong>en der<br />

EZ, andererseits stellen die Taliban e<strong>in</strong>e im afghanischen<br />

Kontext so stark verwurzelte Kraft dar, dass die<br />

<strong>in</strong>ternationale Geme<strong>in</strong>schaft sie auch nicht vollständig<br />

ignorieren kann. Der B<strong>und</strong>esm<strong>in</strong>ister für wirtschaftliche<br />

Zusammenarbeit <strong>und</strong> Entwicklung, Dirk<br />

Niebel, forderte daher die afghanische Regierung<br />

<strong>und</strong> die Taliban im Dezember 2011 dazu auf, e<strong>in</strong>en<br />

Machtausgleich zu vere<strong>in</strong>baren: „Um dauerhaften<br />

Frie<strong>den</strong> zu gewährleisten, darf man nicht darauf warten,<br />

dass man mit Fre<strong>und</strong>en Gespräche führen kann.<br />

Man muss mit Gegnern Gespräche führen, um auf e<strong>in</strong>e<br />

Basis des geme<strong>in</strong>samen Zusammenlebens zu kommen“<br />

(Handelsblatt, 31.12.2011).<br />

Die nachhaltige E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung der Taliban <strong>in</strong> e<strong>in</strong><br />

anderes System als das radikal-islamistische ihrer<br />

Vorstellung könnte zwar mittelfristig möglich se<strong>in</strong>,<br />

würde jedoch politische Maßnahmen jenseits des<br />

Aktions- <strong>und</strong> Kompetenzrahmens der EZ erfordern.<br />

Dazu zählt <strong>in</strong>sbesondere die politische E<strong>in</strong>wirkung<br />

auf Pakistan, um dessen Unterstützung für die Bewegung<br />

zu verr<strong>in</strong>gern oder an Bed<strong>in</strong>gungen zu knüpfen.<br />

Dies dürfte nur durch massiven externen Druck<br />

erreichbar se<strong>in</strong>, <strong>und</strong> selbst dann bleibt die pakistanische<br />

Haltung fraglich. Nicht zuletzt sche<strong>in</strong>en auch<br />

<strong>in</strong>nerhalb des dortigen Geheimdienstes ISI Sympathisanten<br />

der Islamisten zu existieren.<br />

Auf politischer Ebene könnten direkte Verhandlungen<br />

auf der Führungs- <strong>und</strong> Leitungsebene <strong>den</strong><br />

Taliban signalisieren, dass ihre Stärke zur Kenntnis<br />

genommen wird, <strong>und</strong> könnten dazu beitragen, die<br />

konkreten Spielräume für e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung klarer<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong> Zukunfts-Szenario zu fassen, welches für beide<br />

Seiten akzeptabel wäre. In der Alltagspraxis der<br />

<strong>in</strong>ternationalen EZ <strong>in</strong> Afghanistan wer<strong>den</strong> die E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung<br />

der traditionalen Stammesstrukturen <strong>und</strong><br />

Absprachen mit religiösen <strong>Akteure</strong>n zur Erhöhung<br />

der Wirksamkeit von EZ auf der lokalen <strong>und</strong> regionalen<br />

Ebene immer zentraler. Dabei wird es sich sicherlich<br />

nicht vermei<strong>den</strong> lassen auch mit <strong>Akteure</strong>n<br />

zu kooperieren, die <strong>den</strong> Taliban nahestehen oder für<br />

diese Sympathien hegen. Nichtsdestotrotz wird die<br />

Situation auf absehbare Zeit äußerst fragil bleiben;<br />

mit Rückschlägen ist jederzeit zu rechnen.<br />

92<br />

Nach über 30 Jahren des Blutvergießens ist der Krieg auch für viele Jugendliche e<strong>in</strong> Handwerk gewor<strong>den</strong>

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