Johannes Tauler - DAS REICH GOTTES IN UNS - geistiges licht
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Denn solange der Mensch lebt und wirkt, ohne Gott in sich zu wissen, lebt und geht er unsicher und<br />
alles bleibt ungewiß. Von ihm gilt das Wort der Schrift: "Wehe dem, der allein ist; fällt er, so hilft<br />
ihm niemand auf." Wenn aber Gott in seiner Seele wohnt, kann ihm nichts und niemand etwas<br />
anhaben; er weiß sich jederzeit und allerorten gesichert und geborgen.<br />
Wenn es so mit uns steht, müssen die Krämer, wenn sie mit ihrem Kram hereinkommen, sogleich<br />
wieder hinaus, weil kein Verlangen nach ihnen da ist. Und wenn sie versuchen, sich eine Weile ohne<br />
unseren Willen und ohne unsere Zustimmung im Tempel niederzulassen, können sie uns nicht<br />
schaden, sondern müssen zur selben Tür hinaus, durch die sie eindrangen. Und wenn sie noch etwas<br />
ihnen Gemäßes, das nicht göttlich war, in uns fanden, müssen sie das mit sich nehmen, so daß der<br />
Tempel unserer Seele bei ihrem Gehen reiner ist denn zuvor.<br />
So müssen den guten Menschen, den Kindern Gottes, alle Dinge zum Besten dienen.<br />
"Mein Haus ist ein Bethaus." – Gebet heißt Andacht, heißt Hingabe. Es heißt sich innerlich mit Gott<br />
verbinden und ganz dem Ewigen zugeneigt und hingegeben sein. Wenn Du Dich solchermaßen in<br />
schweigender Hingabe Gott verbindest, hast Du Andacht, wo Du auch weilst und was Du auch<br />
wirkst.<br />
Es ist nicht nötig, daß Du ständig vor Seligkeit vergehst. Das ist nur etwas Hinzukommendes, nur<br />
unwesentliches Beiwerk, während das Wesentliche im Lassen liegt, im Sich-Überlassen und<br />
Hingeben an Gott, in der Verbindung und Einswerdung, mit der wir das Reich Gottes betreten, das<br />
in uns ist.<br />
Nun schreibt Hilarius von drei Weisen und Wegen, die unmittelbar in das Reich Gottes hineinführen<br />
und uns in einen lebendigen Tempel Gottes verwandeln. Es sind Glaube, Gotterkenntnis und Gebet.<br />
Was ist Glaube? Ist jeder Christ schon an sich ein Glaubender? Nein. Wie es auf einem Friedhof<br />
viele Tote gibt, so sind – auch in der Christenheit viele, die lebendig scheinen, in Wahrheit aber tot<br />
sind. Denn lebendiger Glaube ist ein immerwährendes Hingewendet- und Hingeneigtsein zu Gott<br />
und zu allem, was göttlich ist. Einerlei, was der Mensch von göttlichen Dingen hört – immer ist es<br />
der lebendige Glaube in ihm, der ihm besser ausweist, was Gott ist, und ihm höhere Gewißheit<br />
verleiht, als alle Meister ihm vermitteln können. Denn der Glaube wurzelt im inneren Reiche<br />
Gottes, in dem das Leben aus seinem eigenen Grunde hervorquillt.<br />
Jene aber, die diesen lebendigen Glauben nicht haben, sind innerlich lau und dürr, kalt und tot, weil<br />
unaufgeschlossen für alles, was von Gott kommt und zu Gott hinführt. Sie haben weder Weg noch<br />
Weise, in sich selbst zu kommen; sie wohnen nicht in sich, sondern in den äußeren Dingen, und sind<br />
sich selber fremd.<br />
Die wahrhaft Glaubenden hingegen wohnen und ruhen in sich, wurzeln im inneren Leben, und was<br />
ihnen äußerlich Göttliches begegnet, das erweckt sogleich ihr inneres Leben und macht offenbar,<br />
daß sie im Reiche Gottes in ihnen leben, das denen, die im Äußeren aufgehen, verborgen bleibt.<br />
Das zweite ist Gotterkenntnis: die findet man eben hier, braucht sie also nicht draußen in allen<br />
Fernen zu suchen; denn sie offenbart sich im Innern. Hier strahlt das göttliche Licht, hier tritt man<br />
durch das rechte Tor ins Reich Gottes.<br />
Von solchen Menschen, die wissen, daß sie Gottes Tempel sind, kann man mit vollem Recht sagen:<br />
"Das Reich Gottes ist in euch!" Sie finden die Wahrheit, die nur von denen erkannt wird, die in<br />
ihrem Innersten daheim sind. Sie finden in sich, was über alles Denken und Verstehen hinausreimt:<br />
das Licht im Licht.<br />
Sie brauchen keine äußeren Bücher mehr, sondern lesen im lebendigen Buch von den wunderbaren<br />
Werken Gottes und dringen vor bis zur Erkenntnis der Dreieinigkeit Gottes: wie der Vater den Sohn<br />
ewig gebiert, wie das Wort ewig im väterlichen Herzen zugegen ist, wie der heilige Geist von<br />
beiden ausfließt und wie die göttliche Dreifaltigkeit sich in die Gott zugewandten Menschen ergießt<br />
und in ihnen widerspiegelt, und wie sie sich in die Gottheit zurückergießt in namenloser