Johannes Tauler - DAS REICH GOTTES IN UNS - geistiges licht
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is zur höchsten Stufe göttlicher Vollkommenheit.<br />
Die erste Gabe des Geistes, die in der Gottesfurcht besteht, ist ein sicherer Anfang auf dem Wege<br />
zur Höhe und eine starke Schutzmauer, die den Menschen vor Fehlern, Hindernissen und<br />
Fallstricken bewahrt. Sie läßt ihn den Tieren gleichen, die instinktiv vor denen, die sie fangen und<br />
vernichten wollen, zurückscheuen oder fliehen.<br />
Wie Gott der Natur der Kreaturen diese Gaben gegeben hat, so gibt der Heilige Geist den Seinen<br />
diese liebenswerte Vorsicht, damit sie den Hindernissen ausweichen, die sie von ihm abhalten oder<br />
entfernen wollen. Sie behütet die Menschen vor der Welt und vor allen Wegen und Weisen, Dingen<br />
und Werken, durch die er seinen inneren Frieden verliert, darin doch Gottes Stätte ist. Vor alledem<br />
soll der Mensch sich vorsehen und ihm ausweichen. Das ist der Anfang der Weisheit.<br />
Dann folgt die zweite Gabe. Das ist die milde Sanftmut, die den Menschen zur Gottesbereitschaft<br />
leitet. Sie nimmt ihm alle Bangigkeit und Traurigkeit, die Furcht und Vorsicht bewirken, richtet ihn<br />
wieder auf und bringt ihn in eine göttliche Duldsamkeit innerlich wie äußerlich in allen Dingen,<br />
nimmt ihm Unmut und Verdrossenheit, Hartnäckigkeit und Bitterkeit gegen sich selbst und andere,<br />
macht ihn milde gegenüber seinen Nächsten in allen Dingen, und friedlich und gütig in seinem<br />
Denken, Verhalten und Lebenswandel.<br />
Es folgt die dritte Gabe, die den Menschen noch höher führt, wie der Geist den Menschen immer<br />
von einer Gabe zur nächsthöheren aufwärts leitet: Sie heißt Wissen. Durch sie wird der Mensch<br />
belehrt, acht zugeben auf die inneren Mahnungen und Weisungen des Geistes Gottes, auf die<br />
Christus verwies: Wenn sein Wort in uns vernehmbar wird, wird es uns alle Dinge lehren, deren wir<br />
bedürfen.<br />
Es sind entweder Warnungen, uns vor dem oder jenem zu hüten unter Bewußtmachung der<br />
leidvollen Folgen, wenn wir das Falsche tun, oder Mahnungen, uns so und so zu verhalten, etwas zu<br />
lassen, zu ertragen oder zu tun. Sie wollen unseren Geist über alle Dinge emporziehen, ihm seinen<br />
göttlichen Adel bewußt machen und ihn anleiten, sich, solange er im Leibe weilt, mit Geduld in<br />
allen Tugenden zu üben.<br />
Wer diesen inneren Weisungen folgt, wird von ihnen zur vierten Gabe geleitet, die heißt: Göttliche<br />
Kraft. Welch edle Gabe ist dies! Mit ihr führt der Geist Gottes den Menschen über alle<br />
kleinmenschliche Schwachheit und Furcht hinaus.<br />
Diese göttliche Kraft erfüllte die Märtyrer, daß sie mit Gottes Willen fröhlich den Tod litten. Sie<br />
macht den Menschen so großherzig und großmütig, daß er zu jedem guten Werk bereit ist, weil er<br />
mit Paulus weiß: "Ich vermag alle Dinge durch den, der mich stark macht!" In dieser Gewißheit<br />
fürchtet der Mensch nichts, was von außen kommt, weder Leid noch Tod. Er wird so stark, daß er<br />
lieber stirbt, als etwas zu tun, das ihn von Gott entfernt.<br />
Wenn dem Menschen diese Gabe zuteil wird, bringt sie stets Licht und Erleuchtung mit sich, Liebe,<br />
Güte und Trost. Wenn der Unweise dies erlangt, gibt er sich dem mit Lust hin, begnügt sich damit<br />
und entfernt sich so vom innersten Grunde. Der Weise hingegen schreitet über diese Gabe hinweg<br />
und kehrt in höchster Läuterung und Lichtwerdung seiner selbst gänzlich in den Ursprung zurück.<br />
Er sieht weder auf diese noch auf jene Gabe, sondern nur auf Gott.<br />
Alsdann kommt die fünfte Gabe: Der Rat und die Kraft der Gelassenheit. Dieser Gabe bedarf der<br />
Mensch sehr; denn nun nimmt ihm Gott alles, was er ihm vorher gab, um ihn ganz auf sich selbst zu<br />
weisen und zu sehen, was und wer er ist und wie er sich in der Not der Einsamkeit verhält. Hier ist<br />
er von Grund auf verlassen, so daß er weder von Gott noch von seinen Gaben und seinem Trost<br />
weiß noch von irgend etwas, das er oder irgend ein guter Mensch gewann. Das wird ihm hier alles<br />
genommen.<br />
Darum bedarf der Mensch dieser Gabe, damit er sich mit dem Rat und der Gelassenheit so halten<br />
kann, wie Gott es von ihm will und erwartet. So lernt der Mensch, sich selbst zu lassen und zu<br />
entwerden, das Verlassensein willig hinzunehmen, in den göttlichen Grund zu entsinken und sich