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Johannes Tauler - DAS REICH GOTTES IN UNS - geistiges licht

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Dies geschieht in der gleichen Weise, wie Feuer auf das Holz wirkt: zuerst entzieht es dem Holz die<br />

Feuchtigkeit, macht es wärmer, hitziger und sich gleicher. Je näher das Holz der Gleichheit kommt,<br />

desto mehr schwindet die Ungleichheit, bis schließlich das Feuer die Materie des Holzes löst und<br />

das Wesen des Holzes mit dem Feuer eins und selbst zur Flamme wird. So verliert man in der<br />

Einheit die Gleichheit.<br />

Genau so zieht die göttliche Speise den Geist aus der Ungleichheit in die Gleichheit und aus dieser<br />

in die Einheit:<br />

Wenn die göttliche Glut im Feuer der Liebe dem Geist alle Ungleichheit, alles Gott Ungemäße<br />

entzogen hat, verliert er sich in der Aufnahme des Wesens Christi gänzlich in der Gottheit, wie<br />

Christus zu Augustinus sprach: "Wachse und nimm mich in dich auf, dann wirst du nicht mich in<br />

dich verwandeln, sondern du wirst gänzlich in mich verwandelt werden."<br />

Bevor dies geschehen kann, muß alles Kreatürliche an und in uns sterben. Aber welch fruchtbares<br />

und seliges Leben wird in solchem Sterben geboren!<br />

Schon bei der Aufnahme der leiblichen Speise muß alles, was wir genießen, sich selber sterben und<br />

entwerden, ehe es in unsere Natur aufgenommen und ganz mit ihr eins werden kann. Da ist ein<br />

immerwährendes Sterben.<br />

Schon wenn sie in den Magen kommt, ist die Nahrung sich selbst so ungleich, daß ihre frühere<br />

Form nicht mehr erkennbar ist, und noch mehr, wenn ihre Kraft von unserem Leibe aufgesogen und<br />

zu einem Teil unserer selbst geworden ist.<br />

Aber weit tiefer geht das Sterben und Entwerden, wenn unser Geist in göttlicher Einheit entwird<br />

und sich darin so verliert, daß sein kreatürliches Sein nicht mehr zu entdecken ist.<br />

Nach solcher Einswerdung sollte all unser Trachten gehen, und nicht nach dem, was weniger ist.<br />

Wir sind zu unermeßlich großen Dingen geschaffen, berufen und eingeladen, und Gott will, daß wir<br />

uns nicht mit Geringerem zufrieden geben und uns mit kleinen Dingen begnügen, sondern<br />

erkennen, daß er sich uns mit seinem ganzen Wesen geben will. Darum sollen wir bei allem, was<br />

wir empfangen, innerlich wach und aufgeschlossen sein und mit allen Sinnen und Kräften nach dem<br />

Höchsten verlangen, nach Gott selbst, damit wir dem göttlichen Grunde immer näher und so immer<br />

höher kommen.<br />

Wie sehr schaden sich jene, die die göttliche Wahrheit und Wirklichkeit nur mit den Sinnen fassen<br />

und alles buchstäblich und grobstofflich nehmen: sie bleiben zurück und es wird nichts aus ihnen.<br />

Wie wenn die leibliche Speise im Magen bliebe und sich nicht weiter einfügte, so daß sie dem<br />

Körper nur Beschwerden macht, so verhalten sich jene, die die göttliche Speise nur mit den Sinnen<br />

aufnehmen und nicht mit dem Geist: sie empfangen nicht das höchste Gut, das Gott ihnen mit dieser<br />

Speise geben will – nämlich ihn selbst. Sie begreifen nicht den Sinn des Sakraments und werden<br />

nicht der Wandlung teilhaftig, in der Gott sich ihnen so wesentlich und vollkommen mitteilt, daß<br />

der Speisende und die Speise eins werden.<br />

Diese göttliche Gabe können wir alle Tage empfangen, so oft wir danach begehren. Für die, die zur<br />

Vollkommenheit finden wollen, gibt es keinen kürzeren und sichereren Weg als den nach innen.<br />

Nichts bereitet die Materie so gut dazu, daß sie zu Licht werde, als wenn sie dem Feuer genähert<br />

wird und die Wärme mehr und mehr in sich aufnimmt: sie mag noch so naß und hart und steinern<br />

sein, bleibt sie dem Feuer nah, dann wirkt dessen Glut auf sie, macht sie sich gleich und zieht sie<br />

ganz in sich.<br />

Ebenso mag ein Mensch noch so sehr von Sünden, Fehlern und Mängeln durchtränkt, verhärteten<br />

Herzens oder steinernen Wesens sein – nähert er sich in steter Nach-Innen-Wendung dem göttlichen<br />

Feuer in Andacht und williger Hingabe, soweit er es eben vermag, und bleibt er dabei, dann wird<br />

sein dem Feuer so ungleiches Wesen durchwärmt, weicher und <strong>licht</strong>er und schließlich durchflammt,

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