Johannes Tauler - DAS REICH GOTTES IN UNS - geistiges licht
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Und tagsüber achte man darauf, daß man in allen Dingen und bei allen Aufgaben, wie sie auch<br />
kommen, stets in Frieden bleibt und sein Herz und seinen Seelengrund<br />
für Gott bereitet hält.<br />
Wenn man sich müde fühlt, setze oder lege man sich hin, entspanne sich, wende den Geist nach<br />
innen und öffne sein Gemüt Gott, suche Frieden in Gott, befehle ihm seine Wege, lasse sich ihm<br />
und verlasse sich gänzlich auf ihn; dann wird alles wohl gehen.<br />
Um unsere Wege, unsere Vorhaben und Sorgen Gott anheim zu geben, müssen wir uns selbst klar<br />
werden, welches eigentlich unsere Wege sind. Wir werden dabei einsehen, wie unzulänglich und<br />
mangelhaft alles ist, was aus dem Ich kommt, und wie ungewiß und unbestimmt die Ziele des Ich<br />
sind. Alles das gilt es Gott anheim zu geben und zu vertrauen, daß er alles besser machen und zum<br />
Besten wenden wird.<br />
Dabei können wir Gott nie genug vertrauen. Wenn zwei Menschen Gott um etwas bitten – der eine<br />
um etwas Großes, das dem Ich unmöglich scheint, aber mit uneingeschränktem Vertrauen; der<br />
andere um etwas Kleines und Wertloses, aber mit geringerem Vertrauen –, so wird der, der um das<br />
Unmögliche bat, wegen seines völligen Vertrauens eher und vollkommener erhört als der andere,<br />
der nur um wenig bat.<br />
Dem Gläubigen, sagt Christus, sind alle Dinge möglich. Glaube, d. h. hoffe und vertraue auf Gott –<br />
und er wird's wohl machen! Wie niemand Gott genug lieben kann, so kann ihm auch niemand zu<br />
viel vertrauen.<br />
Statt anderen Leuten Dein Leid zu klagen, übergib und überlasse es gänzlich Gott – und er wird Dir<br />
aus Liebe das für Dich Beste zufügen, und zwar hunderttausendmallieber, als Du es<br />
entgegennimmst. Willst Du von Deinen Sünden und Schwächen frei sein, dann übergib und<br />
überlasse sie und Dich selbst Gott, vertraue auf seine Hilfe und wende Dich – in diesem Vertrauen –<br />
dem rechten Handeln zu. Dadurch werden die Tugenden gewonnen und die Untugenden schwinden.<br />
Doch geschehe all dies ohne Eigensucht! Wenn Gott einen nach innen zieht, soll man ihm sofort<br />
folgen. Zieht Gott einen noch tiefer ins Allerinnerste, so soll man nicht mit den Sinnen forschen und<br />
ergrübeln wollen, was da geschieht und wie, sondern man soll seine Wege Gott befehlen und<br />
überlassen, sich auf ihn verlassen und ihn wirken lassen.<br />
Das ist der tiefere, innere Sinn des Fastens. Es bedeutet, daß Du nicht über den Grund der Welt und<br />
des Daseins und die Beschaffenheit der höheren Welten grübelst, sondern wachen Geistes Dir selber<br />
auf den Grund gehst und lernst, Dich selbst zu erkennen.<br />
Es bedeutet, daß Du nicht nach den Geheimnissen Gottes fragst, nach dem Anfang und Ende allen<br />
Werdens, nach dem Etwas im Nichts, nach dem Wesen des Gottfunkens im Seelengrund und nach<br />
tausend anderen Dingen, sondern daß Du Dich mit Deinem ganzen Denken und Fühlen, Wollen und<br />
Glauben nach innen wendest und innerlich auf Gott und seinen Willen achtest und auf das Wort, mit<br />
dem er Dich ruft.<br />
Und wenn Du nicht weißt, was Gottes Wille ist, so folge denen, die vom Heiligen Geiste mehr als<br />
Du erleuchtet sind. Und steht Dir kein solcher zur Verfügung, dann achte bei Zweifeln darauf, wozu<br />
Deine Natur am wenigsten geneigt ist, um dann eben dies zu tun und dabei zu lernen, die Dinge zu<br />
lassen; dann werden Dir alle Dinge zuteil – nämlich die Dinge, die Dir nötig sind zu einem wahren<br />
göttlichen Leben und zur Erkenntnis der Wahrheit, die Dich frei macht.<br />
Und laß bei alle dem niemals Schwermut über Dich kommen; denn sie hindert Dich in allem Guten.<br />
Sei stets frohgemut und zuversichtlich, habe Freude an der Gegenwart Gottes in Dir und vertraue<br />
ihm in allem; dann wird er's wohl machen. Und sorge Dich nie, sondern überlasse es Gott. Und<br />
leuchtet Dir dabei etwas ein, so lasse es gleichfalls und überlasse es Gott. Habe nichts im Sinn als<br />
Gott und gib Dich ihm völlig hin. Dann wirst Du aus dem Innenreich des Friedens in den Alltag<br />
zurückkehren mit Frieden im Herzen, mit erhöhter Gelassenheit und mit neuen Kräften, die Dir<br />
helfen, Dein Werk recht zu vollbringen und an allem zu wachsen.