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Johannes Tauler - DAS REICH GOTTES IN UNS - geistiges licht

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daß man den Kindern das Brot nehme und werfe es den Hunden vor."<br />

Als das Weib diese Worte vernahm, die ihre Bereitschaft zur Hingabe prüfen sollten, antwortete sie:<br />

"So sei es; doch werden nicht auch die Hündlein gespeist von den Brosamen, die von des Herren<br />

Tische fallen?"<br />

Da antwortete Jesus: "Weib, dein Glaube ist groß; es geschehe, wie du willst." – Und ihre Tochter<br />

ward gesund zur selbigen Stunde. –<br />

Dieses Evangelium weist uns auf die höchste Hingabe und Entwerdung des Ich, zu der wir in der<br />

Zeitlichkeit gelangen können und ohne die nichts hilft, was immer auch der Mensch zu seinem<br />

Heile unternimmt.<br />

Doch beginnen wir mit den ersten Worten: "Jesus ging aus von dannen." Von wo aus? Der Anfang<br />

des Evangeliums sagt es uns: von den Schriftgelehrten und Pharisäern, das heißt von den Gelehrten,<br />

die auf ihre Menschenweisheit etwas halten, und von den Pharisäern, die auf ihr Geistlichsein stolz<br />

sind und auf ihren Weisen und Satzungen beharren.<br />

Damit werden zwei Fehler aufgezeigt, die geistige Menschen haben können. Wer sie nicht ablegt,<br />

der verdirbt. Es gibt nur wenige, die nicht mit dem einen oder dem anderen Fehler behaftet sind.<br />

Unter den ,Schriftgelehrten' versteht man jene, die sich auf ihren Verstand und ihr Wissen etwas<br />

einbilden, alle Dinge von dort aus beurteilen und sie so in die Sinnenhaftigkeit ziehen, als ob sie sie<br />

nun durch und durch verstünden. Man rühmt ihre Gelehrsamkeit und sie sprechen große Worte –<br />

innerlich aber, im Seelengrund, aus dem die Wahrheit und die Wahrheits-Erkenntnis quellen sollte,<br />

sind sie dürr, leer und tot.<br />

Und die anderen, die ,Pharisäer', sind jene Geistlichen und Frommen, die sich selbst hoch achten,<br />

ihre Weise, ihre Glaubensmeinung und -richtung für die allein richtige halten und ihretwegen geehrt<br />

und anerkannt sein wollen. Ihr Seelengrund ist voll Verurteilung aller, die nicht mit ihrer Weise<br />

übereinstimmen.<br />

Von diesen Leuten ging Christus aus, die ihre menschliche Weise und Menschenweisheit für<br />

göttliche Weisung und Gottesweisheit halten und verächtlich auf jene herabsehen, die keinen<br />

besonderen Weisen zuneigen, weil sie Gottes Willen unmittelbar folgen.<br />

Vor solcher pharisäischen Weise hüte man sich, damit sich nicht eine falsche Heiligkeit oder<br />

Scheinheiligkeit darunter verberge, die ihren Ursprung und ihr Ziel im Ich hat statt in Gott. Denn<br />

von solchen, die nur auf ihr äußeres Tun und Ansehen achten und mit ihrem Seelengrund ganz dem<br />

Ich, den Kreaturen und der Welt zugewandt und verhaftet sind, geht Christus aus, weil er dort keine<br />

Stätte hat.<br />

Und wohin ging er? Nach Tyrus und Sidon, was soviel bedeutet wie: an die Stätte der Bedrängnis<br />

und des Treibens. Welches Drängen und Treiben ist damit gemeint? Nichts anderes, als daß der<br />

innere Mensch gern zu Gott kommen möchte, wo seine eigentliche Heimstatt ist; dahin drängt und<br />

jagt er den äußeren Menschen. Der äußere hingegen treibt einen anderen Weg und strebt – weil<br />

selbst äußerlich – zu den niederen Dingen, wo seine Stätte ist. Und so entsteht der Zwiespalt<br />

zwischen ihnen:<br />

Des inneren Menschen eigentlicher Besitz ist Gott, und nach ihm geht all sein Verlangen, Wollen<br />

und Denken. Das aber geht dem äußeren Menschen gegen seine Natur und er wehrt sich dagegen,<br />

wie Paulus es erlebte: "Ich finde in mir einen ewigen Kampf; meine Natur widerstrebt dem Treiben<br />

des Geistes, und was ich nicht will, das tue ich, und was ich will, das tue ich nicht." So bedrängen<br />

sich diese beiden, und dazwischen kommt Gott von oben und zieht sie beide zu sich. Wo dieser Zug<br />

nach oben verstanden wird, da steht es gut; denn "die vom Geiste Gottes getrieben werden, das sind<br />

die Kinder Gottes."<br />

Aus diesem Zwiespalt entspringt Bedrängnis und Bangigkeit, sagte ich. Aber wenn der Mensch in<br />

dieser Bangigkeit des inneren Dranges und Zuges bewußt wird, geht Christus in ihn ein. Wo er aber

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