Johannes Tauler - DAS REICH GOTTES IN UNS - geistiges licht
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Daß wir alle dahin gelangen und aus aller Not und Sorge in die Geborgenheit des Reiches Gottes<br />
emporgezogen werden, dazu helfe uns Gott!<br />
ÄUSSERE UND <strong>IN</strong>NERE LIEBE<br />
"Ich bin in guter Zuversicht, daß der in euch angefangen hat das Gute, der wird's auch vollenden....<br />
Darum bitte ich, daß eure Liebe mehr und mehr reich werde an Erkenntnis und Erfahrung." Phil. 1;<br />
6, 9<br />
Das Edelste und Beglückendste, von dem man sprechen kann, ist Liebe, und nichts Nützlicheres<br />
kann man üben. Gott verlangt weder große Vernunft noch tiefe Gedanken noch große Übungen –<br />
wenn man gute Übungen auch nicht lassen soll, allen Übungen gibt doch erst die Liebe ihren Wert<br />
–; Gott verlangt nur Liebe. Sie ist, nach Paulus, das "Band der Vollkommenheit".<br />
Vernunft haben viele, große Werke findet man bei Gerechten und Ungerechten; die Liebe aber<br />
trennt die Guten von den Unguten, denn "Gott ist die Liebe, und die in der Liebe wohnen, die<br />
wohnen in Gott und Gott in ihnen."<br />
Darum sollen wir uns zuerst und vor allem in der Liebe üben und Gott so lieben, wie er uns seit je<br />
liebt. Dann wendet sich unsere Liebe nicht noch nimmt sie ab, sondern sie bleibt auf Gott gerichtet<br />
und wächst immerfort; denn Liebe gewinnt man mit Liebe, und je mehr man liebt, desto<br />
umfassender vermag man zu lieben.<br />
Die Liebe hat nun zweierlei Weisen: eine äußere und eine innere. Die äußere Liebe ist auf den<br />
Nächsten gerichtet, die innere unmittelbar auf Gott. Dazu, daß diese Liebe zunehme, ist Erkenntnis<br />
nötig. Darum bittet Paulus, daß unsere Liebe "reicher werde an Erkenntnis und Erfahrung." Wir<br />
sollen uns nicht mit dem Guten begnügen, sondern immerfort nach dem Besseren und Allerbesten<br />
trachten. Und dazu sind Erkenntnis und Erfahrung nötig, damit wir bei unserer Liebe um Ziel und<br />
Weg wissen und von Liebe zu Gott überströmen.<br />
Die wahre göttliche Liebe, die wir innerlich haben sollen, sollen wir wiederum wahrnehmen und<br />
abmessen an der Liebe, die wir äußerlich unseren Nächsten gegenüber im Herzen tragen. Denn wir<br />
lieben Gott nicht, solange wir nicht unsere Nächsten lieben wie uns selbst. Wie geschrieben steht:<br />
"Wie kannst du Gott lieben, den du nicht siehst, solange du deinen Bruder nicht liebst, den du<br />
siehst!"<br />
Hierauf zielt das göttliche Gebot: "Liebe Gott und Deinen Nächsten wie Dich selbst!" Freue Dich<br />
mit ihm und leide mit ihm in allen Dingen und sei mit ihm ein Herz und eine Seele, wie es zu der<br />
Apostel Zeiten war: "Alle Güter waren unter ihnen gemeinsam."<br />
Kannst Du dies nicht äußerlich beweisen, weil es Dir an Mitteln fehlt, sollst Du es innerlich haben<br />
und üben im immer bereiten Willen zum Tun des Guten. Und kannst Du Deinem Nächsten nicht<br />
Gutes tun, dann sprich wenigstens gute, liebreiche Worte zu ihm aus dem Innersten Deines Herzens.<br />
Auch soll Deine Liebe sichtbar werden an den unvollkommenen Menschen: ihre Fehler sollst Du in<br />
Liebe und Geduld ertragen, sie nicht verurteilen und schelten, sondern sie im Geiste der Liebe<br />
Gottes anheim geben. Wenn Du anders fühlst und handelst, so erkenne daran, wie sehr es Dir noch<br />
an der inneren Liebe mangelt.<br />
Eben daran, wie weit Deine äußere Liebe reicht, kannst und sollst Du Deine innere Liebe prüfen,<br />
die einwärts auf Gott, auf ihren Ursprung gerichtet ist.