Johannes Tauler - DAS REICH GOTTES IN UNS - geistiges licht
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Tür zum Reiche Gottes geöffnet und er wurde hineingenommen.<br />
Die erste Weise, durch die der Mensch wie <strong>Johannes</strong> von der Welt gerufen wird, tritt ein, wenn der<br />
Mensch seine inneren Kräfte in höchstem Unterscheidungsvermögen derart ordnet und regiert, daß<br />
er lernt, auf sich zu achten, daß er zu anderen so spricht und sich so verhält, wie er möchte, daß sie<br />
zu ihm sprechen und sich ihm gegenüber verhalten, daß seine Gedanken und Strebungen von Gott<br />
kommen und zu Gott hinführen, und daß all sein Wirken auf nichts anderes abzielt als auf die<br />
Erfüllung des Willens Gottes und auf den Frieden und die Seligkeit der Menschen.<br />
Also nimmt Christus Dich von der Welt und macht Dich zu einem Apostel, einem Gesandten<br />
Gottes, der lernt, den äußeren Menschen zu einem inneren zu machen. Das ist aber erst der Anfang<br />
göttlichen Lebens.<br />
Die zweite Weise besteht darin, daß Du wie <strong>Johannes</strong> am Herzen Christi ruhte, Dich nach dem<br />
Bilde Christi bildest und darauf amtest, daß Du ihm nachfolgst und gleich wirst in seiner<br />
Sanftmütigkeit und Demut, in der flammenden Liebe, die er seinen Freunden und Feinden<br />
entgegenbrachte, in der willigen Gelassenheit, die er auf allen Wegen, in allen Weisen, an allen<br />
Stätten, wohin ihn der Vater rief, offenbarte.<br />
Wohl waren Himmel- und Erdreich sein, doch er besaß sie nicht als Eigentum, sondern er hatte mit<br />
allem, was er sprach und wirkte, nur den Willen des Vaters und die Seligkeit der Menschen im Sinn.<br />
Dem folge nach! Erkenne, wie ungleich Du noch diesem Vorbild bist, und wende Dich nach innen,<br />
um am Herzen Christi zu ruhen und von ihm Licht zu empfangen und Kraft, vollkommener zu<br />
werden. Und vergiß dabei nicht, daß, obwohl <strong>Johannes</strong> am Herzen Christi ruhte, er doch den Mantel<br />
fallen ließ und floh, als man Jesus fing. So sieh auch Du zu, daß Du, wenn Du angegriffen und<br />
versucht wirst, den Mantel nicht fallen läßt und der Furcht und dem Eigenwillen nachgibst!<br />
Daß Du Dich in diesen beiden Weisen übst, ist gut und heilsam. Laß Dich darin von niemandem<br />
beirren. Und wenn Christus Dich zieht, so laß Dich ihm ohne Formen und Bilder und laß ihn durch<br />
Dich wirken, sei seines Willens Werkzeug!<br />
Wenn Du Dich solchermaßen einen Augenblick in der Stille ihm gänzlich lässest, ist das ihm<br />
löblicher und Dir dienlicher, als wenn Du Dich ein Leben lang in den äußeren Weisen übst. Alsdann<br />
wird das Wort erfüllt, daß Gott Dir offenbart, was kein Auge gesehen und kein Ohr vernommen hat,<br />
und das Tor zum Reiche Gottes sich Dir auftut.<br />
Darum soll der Mensch keinen Augenblick in seinem Bemühen nachlassen, immer vollkommener<br />
zu werden und, soweit es ihm irgend möglich ist, den äußeren Menschen in den inneren zu bringen.<br />
Das kann nicht an einem Tage, in einem Jahre geschehen, sondern braucht seine Zeit. Und es gehört<br />
Willigkeit und Gelassenheit dazu. Dies ist der Weg der Meditation.<br />
Daß wir diesen Weg gehen und zur Vollkommenheit gelangen, das gebe Gott uns allen!<br />
ENTWERDEN DES ICH<br />
"Und Jesus ging aus von dannen und entwich in die Gegend von Tyrus und Sidon." Matth.15; 21 f.<br />
Im Matthäus-Evangelium wird uns berichtet, daß Jesus "von dannen ging nach Tyrus und Sidon."<br />
Aus demselben Lande stieß ein Weib aus Kanaan zu ihm und rief ihn an um Hilfe für ihre Tochter,<br />
die vom bösen Geist besessen war. Aber Jesus antwortete nicht. Das Weib rief lauter, und die Jünger<br />
wiesen ihn auf sie hin.<br />
Doch er wies sie ab mit dem Hinweis, daß er zu den Kindern Israels gesandt sei. "Es ist nicht gut,