Johannes Tauler - DAS REICH GOTTES IN UNS - geistiges licht
Johannes Tauler - DAS REICH GOTTES IN UNS - geistiges licht
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und morgen weh. Heute quält ihn der Verlust der Dinge und morgen das Schwinden der Gesundheit.<br />
Er ist schlechter daran als Tiere, denen das Kleid wächst je nach der Wärme oder Kälte. Er ist so<br />
bedürftig, daß er sich der Kleider der Tiere bedienen muß, um sich vor der Unbill der Witterung zu<br />
schützen, und selbst ihre Leiber müssen ihm noch zur Nahrung dienen.<br />
Versteht Ihr nun, warum die Heiligen vor Zeiten traurig waren, wenn es zum Essen ging, und sich<br />
freuten, wenn es zum Sterben ging?<br />
Doch blicke weiter auf Dein Ich, wohin es Dich führt: Wendest Du Dich gern nach innen? Betest<br />
Du gern? Blickst Du gern auf Gott?<br />
Gilt nicht vom Ich, was Paulus beklagte: "Das Gute, das ich will, das tue ich nicht; und das Böse,<br />
das ich nicht will, das tue ich." Wie vielen Verlockungen folgt das Ich und wie wenig lernt es aus<br />
den leidvollen Folgen, die daraus entstehen und es zum Nicht-Ich hinweisen und hinleiten sollten!<br />
Aber selbst wenn es das erkennt und den Weg nach innen einschlagen will, kommen die Menschen<br />
mit raschen und klugen Worten, als ob sie Apostel wären, beweisen ihm, wie falsch er handelt, und<br />
ziehen ihn in die Welt und die Ichheit zurück.<br />
Wieviel besser wäre es aber gerade dann, in den eigenen Seelengrund zu entsinken und der Ichheit<br />
zu entwerden, um des höchsten und einzigen Heils inne zu werden: des Nicht-Ich. Aber wie wenige<br />
wollen und tun das! Die meisten möchten nicht ihr bequemes Dahinleben aufgeben, nicht das<br />
Erreichte verlieren, nicht auf die Befriedigung ihrer Sinne verzichten, nicht den Genuß der Ichheit<br />
entbehren. Darum bleiben sie lieber, was sie sind.<br />
Solche Menschen mögen wohl zu hohen Erkenntnissen gelangen und von göttlichen Dingen reden,<br />
als hätten sie diese schon gewonnen und erkannt; aber in Wirklichkeit haben sie noch keinen Schritt<br />
aus der Ichheit heraus und zum Nicht-Ich getan. Sie sind noch nicht in den Grund gelangt, wo die<br />
lebendige Wahrheit ist; denn dorthin findet nur, wer mit seiner Ichheit im Nicht-Ich entwird.<br />
Dorthin weist uns Christus, wenn er uns mahnt: "Werdet wie die Kinder", die alle Dinge nach ihren<br />
Bedürfnissen nützen, nicht zur Befriedigung ihrer Ich-heit.<br />
Je kleiner und geringer unser Ich wird, je mehr es dem Tal gleicht dort, es am tiefsten ist, wohin alle<br />
Wasser fließen und wo es am fruchtbarsten ist, desto leichter entsinkt es völlig in den göttlichen<br />
inneren Abgrund und entwird da im Nicht-Ich.<br />
Eben weil er sich tief macht, sinkt der geschaffene Grund immer weiter in den ungeschaffenen<br />
Abgrund Gottes hinein. Und im gleichen Maße zieht er, im Entwerden, durch sein Nichtsein den<br />
ungeschaffenen Abgrund der Gottheit in sich hinein. So fließt ein Abgrund in den anderen und<br />
entsteht da ein einig Eines.<br />
Das ist das Nicht-Sein, von dem Dionysius sagt, daß Gott alles das nicht ist, was man, in der Sicht<br />
des Ich, nennen, verstehen und begreifen kann: Er ist ein überseiendes Nicht-Ich und Nicht-Sein.<br />
Die Augen, die so sehend geworden sind, daß sie dessen gewahr werden, die sind selig.<br />
Daß wir alle dessen inne werden, dazu helfe uns Gott!<br />
AUS DEM GEISTE LEBEN<br />
"So wir aus dem Geiste leben, so lasset uns auch im Geiste wandeln." Gal. 5; 25 f.<br />
"So wir aus dem Geiste leben, sollen wir auch wandeln im Geiste und unser Wirken nicht vom<br />
Verlangen nach eitlen Ehren bestimmen lassen, nicht untereinander zürnen und hassen, sondern