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Johannes Tauler - DAS REICH GOTTES IN UNS - geistiges licht

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einer des andern Last tragen. Denn wer da wähnt, daß er etwas sei, da er doch nichts ist, der betrügt<br />

sich selbst. Also prüfe jeder sein Tun und suche seine Vollendung in sich und nicht durch andere."<br />

Diese Worte sprach Paulus. Sie sind allesamt bedeutsam. Das wichtigste Wort aber ist das erste vom<br />

Leben aus dem Geiste. Denn wie unsere Seele das Leben unseres Leibes ist und der Leib von der<br />

Seele lebt, so ist der Geist das Leben der Seele und die Seele lebt vom Geiste.<br />

Und Paulus fügt hinzu: Wenn wir aus dem Geiste leben, sollen wir auch im Geiste wandeln. Hier ist<br />

dreierlei Wandel zu unterscheiden: der erste Wandel ist der äußere; er betrifft uns selbst und unsere<br />

Nächsten. Der zweite Wandel ist gestaltet nach dem Vorbild Christi. Der dritte Wandel ist<br />

unbildlich.<br />

Für den ersten Wandel gilt das Wort, daß unser Denken und Wirken nicht vom Verlangen nach<br />

eitlen Ehren bestimmt sei. Wie die weltlich Gesinnten mit allem Fleiß nach Ehren und Gewinnen<br />

trachten, sieht man alle Tage. Sie wandeln nicht im Geiste, sondern sind sich selber und Gott fern.<br />

Aber es gibt auch andere, die gebärden sich geistig; doch ihr Herz ist weltlich und meint in allen<br />

Dingen ihr Ich: in Stand und Kleidung, in Freundschaft und Gesellschaft. Auch die wandeln nicht<br />

im Geiste und sind Gott ferner, als sie ahnen.<br />

Dieser Wandel, bei dem man von geistigen Dingen und von Gott spricht, aber das Ich meint,<br />

schleicht sich so leicht in alle guten Weisen und Worte, Gedanken und Werke ein, daß man auf der<br />

Hut sein und Gott bitten muß, daß er einem zum rechten Wandel verhelfe.<br />

Das ist, was uns selbst betrifft. Aber der rechte Wandel gilt auch im Blick auf unsere Nächsten: Wir<br />

sollen friedlich gesinnt sein, nicht zürnen und hassen" nicht über andere urteilen und herfallen,<br />

sondern ihnen mit Sanftmut, Güte und Liebe begegnen. Daran, wie weit es einer hierin bringt,<br />

erkennt man, wie weit er aus dem Geiste lebt.<br />

Hier prüfe jeder sein Verhalten und seinen Wandel, ob er bei allem bedenkt, daß wir alle ein Leib in<br />

Christo sind und uns untereinander lieben, uns mit Sanftmut, Geduld und Güte begegnen und einer<br />

des andern Last tragen sollen. Achten wir darauf, wie unser Wandel und Handeln dem Nächsten<br />

gegenüber ist, daß wir nicht Gottes Tempel in ihm zerstören!<br />

Der zweite Wandel, den wir pflegen sollen, ist nach dem Vorbild Christi gestaltet. Das sollen wir uns<br />

wie einen Spiegel vorhalten, damit wir unser Denken und Handeln nach unserem Vermögen danach<br />

richten.<br />

Wir wollen bedenken, wie geduldig, sanftmütig, gütig, schweigend, getreu, milde, gerecht und<br />

wahrhaftig seine immerwährende Liebe ist. Dies sollen wir in Gebet und Meditation bedenken und<br />

Gott bitten, daß er uns helfe, dem gleichen Wandel zu folgen, damit alles ihm Ungleiche und<br />

Ungemäße von uns abfalle.<br />

Zu dieser Einkehr und Angleichung muß Gott uns helfen, und darum sollen wir ihn täglich bitten<br />

und darauf achten, daß, wenn Gott uns dazu ermahnt, wir alles Hindernde lassen und dem Willen<br />

Gottes folgen.<br />

Dieses innere Gebet dringt zum Himmel, und dann wird es uns leichter, in unserem Wandel dem<br />

Vorbild Christi zu folgen. Wer das tut, der wird nicht klagen, er werde darin behindert; wenn er<br />

beten wolle, schlafe er ein, wenn er auf Antwort warte, bleibe die Erleuchtung aus. Denn das ist nur<br />

möglich, solange er in allem das Seine sucht, seinem Ich folgt und nicht Christo.<br />

Nein, wir sollen in nichts Ichhaftem Lust und Befriedigung suchen, sondern uns von allem Äußeren<br />

unbehaftet und unbeschwert ganz nach innen wenden, in unseren Seelengrund einsinken, wo wir<br />

dem Ich nach ein Nichts sind. Wer sich so enticht und erneuert, der wird erhöht werden.<br />

Manche sind so hab- und genußsüchtig, daß Gott ihnen den Reichtum nehmen muß. Wären sie<br />

gelassen, würde ihnen der Reichtum nicht genommen, vielmehr würde er noch zunehmen. Das ist<br />

die Frucht rechten Wandels im Geiste, daß er frei macht vom Hängen an dem, was nicht Gott ist.

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