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Johannes Tauler - DAS REICH GOTTES IN UNS - geistiges licht

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Dann gibt es andere, die etwas besser daran sind: sie haben sich von den weltlichen Dingen gelöst,<br />

soweit sie es vermögen. Aber ihre Weise ist noch ganz sinnlich und bildlich. Sie denken an den<br />

Menschen Jesus, wie er geboren ward, lebte, litt und am Kreuze starb. Das alles fließt mit Lust und<br />

Tränen durch sie hindurch wie ein Schiff durch den Rhein und ist ganz sinnenhaft und fleischlich,<br />

nicht geistig.<br />

Solche Leute neigen dazu, mehr auf die Werke zu sehen als auf den, in dem alles Werk endet. Sie<br />

achten mehr auf das Drum und Dran als auf das Wesen, mehr auf den Weg und was am Wege liegt,<br />

als auf das Ziel und übersehen im Blick auf das Äußere das Innere.<br />

Doch ist gegen diese Weise nichts einzuwenden, weil sie ein Weg sein kann von der sinnenhaften<br />

zur geistigen Liebe, die ohne Bild ist, von der äußeren Hinneigung zur inneren Hinwendung mit<br />

dem ganzen Herzen und mit allen Kräften der Seele und damit zum Einssein. Der Mensch muß nur<br />

lernen, von den äußeren bildlichen Weisen zur inneren bildlosen Weise weiterzuschreiten, also nicht<br />

in den äußeren Bildern zu verharren, sondern durch sie hindurchzustoßen zum Wesen in den Grund,<br />

wo die ewige Wahrheit unmittelbar leuchtet.<br />

Um das zu erreichen, gilt es, das Gemüt und alle seine Kräfte von den sinnlichen Bildern<br />

abzuziehen und den ewigen Dingen zuzuwenden: wie Du vorher der bildlichen Weise gedachtest,<br />

etwa der Geburt, des Lebens, Wirkens und Leidens Jesu, so wende Dich nun der inneren Weise zu,<br />

dem inneren Werk, der ewigen Geburt:<br />

Wie das Wort im Herzen Gottes geboren ward, nach außen geboren und doch innen bleibend, wie<br />

der Heilige Geist hervorblüht in unaussprechlicher Liebe und wie das Göttliche in seiner dreifachen<br />

Offenbarung doch eine lautere Einheit ist: in diese Einheit senke Dich ein, trage Dein Nichtsein, die<br />

Mannigfaltigkeit Deiner Ichheit und Nichtheit, in diese verborgene lautere Einheit, erkenne den<br />

Unterschied zwischen Deinem äußeren Menschen und dem ewigen inneren Wesen, das kein Vorher<br />

und Nachher hat, sondern nur ewige Gegenwart und ewiges Selbst-Sein und Einssein mit Gott.<br />

Dieser ewigen Gegenwart halte die Flüchtigkeit der Zeit und die Vergänglichkeit Deines Ichs und<br />

des äußeren Lebens entgegen. Dann zieht die Gottesliebe Dich immer höher in die<br />

Abgeschiedenheit und Entwordenheit und führt Dich über alle Bilder hinaus und von allen Deinem<br />

Wesen fremden äußeren Dingen weg, daß sie Dir im gleichen Maße entfallen, wie eine Liebe sich<br />

gänzlich dem überwesentlichen Gott zuwendet.<br />

Je tiefer so der Mensch in sein Nichts entsinkt, in liebender Hingabe seiner Ichheit entwird, desto<br />

heller strahlt die Liebe und das Licht Gottes in ihm auf nicht in Bildern oder bloß als Erleuchtung in<br />

die Kräfte der Seele, sondern ohne Bild und unmittelbar in ihrem Grund.<br />

Das sei denen gesagt, die, von den ersten Erleuchtungen berührt, glauben, damit alle Wahrheit<br />

gefunden zu haben, und sich nun dem Wohlgefallen an – sich selbst hingeben und meinen, sie seien<br />

"über alles hinausgelangt" und den anderen weit überlegen. In Wahrheit stehen sie im natürlichen<br />

Licht und haben keinen Durchbruch vollzogen in die Freiheit der Kinder Gottes. Sie sind noch<br />

Liebhaber ihrer selbst und Gott fern.<br />

Anders der in wahrer Gottesliebe Entflammte: er weiß um die Nichtheit des Ich, er fühlt sich als ein<br />

ewig Fortschreitender und hat nur nach einem Verlangen: Gott über alles zu lieben und sich ihm<br />

gänzlich hinzugeben. Er verfällt weder in falsches Nichtstun noch in unechte Freiheit und flattert<br />

nicht hier hin und dorthin, sondern er will und liebt mit seinem ganzen Wesen nichts als Gott.<br />

In solcher Liebe ist Gott gegenwärtig. Darum strahlt sie so mächtig in dem Grunde der Seele, daß<br />

der Geist das Licht nicht zu ertragen vermag, seinen letzten Halt aufgibt und ganz in dem<br />

Gottesgrund entsinkt, sich selber, allem Erkennen und allem Werk entwird, so daß Gott in ihm<br />

wirken, in ihm erkennen und lieben muß, da sonst nichts mehr ist als Gott.<br />

Was bleibt dann im Menschen? Nichts als ein völliges Entwordensein seiner Ichheit, ein völliges<br />

Lassen aller Eigenheit in Wille und Gemüt, Wesen und Leben. In dieser Verlorenheit entsinkt der<br />

Mensch ganz und gar in den Gottesgrund, und es dünkt ihn, als würde er nun erst beginnen,

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