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Johannes Tauler - DAS REICH GOTTES IN UNS - geistiges licht

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geboren werden.<br />

Hier nun muß ich einen Gedanken berühren, den nicht alle verstehen, sondern nur die, die es<br />

angeht:<br />

Als der Geist Gottes Hiob berührte, da sprach dieser: "Ich sah ein Bild vor meinen Augen, aber ich<br />

erkannte seine Gestalt nicht." Das Bild, das er schaute, ist Christus; die Gestalt, die er nicht<br />

erkannte, ist Gott, der sich hinter dem Bilde Christi verbirgt, das wir in uns erkennen.<br />

Hierher gehört auch, was im Buch der Könige berichtet wird: Der Engel sprach zu Elias, er solle auf<br />

den Berg gehen, d. h. in die Abgeschiedenheit des Innern und in die Nähe Gottes. Als er dorthin<br />

gelangte, offenbarte sich Gott ihm in einem starken Sturm und danach in einem Beben, das den<br />

Grund erschütterte. Aber in beiden blieb Gott ihm fern.<br />

Danach brach ein Feuer aus, aber auch darin ward Gott ihm noch nicht sichtbar. Nach dem Feuer<br />

aber kam ein stilles sanftes Wehen; als Elias das vernahm, verhüllte er sein Antlitz mit seinem<br />

Mantel, weil das Licht Gottes ihn blendete. Danach ward ihm die Stimme der Stille, das Wort<br />

Gottes, vernehmbar.<br />

Das ist der gleiche innere Weg, auf dem Gott auch zu uns kommt und in uns geboren wird.<br />

Wir müssen zuerst auf den Berg gehen, unser Gemüt zu Gott erheben, uns mit unserem Seelengrund<br />

in völliger Gelassenheit ganz Gott zuwenden und uns ihm schweigend offen halten. Wenn dann<br />

Gott kommt, entsteht zuerst ein Sturm, der alles umkehrt, was in uns ist, soweit wir zu solcher<br />

Wandlung und Erneuerung willig und bereit sind, gottförmig zu werden.<br />

Hier bleiben die meisten an zeitlichen Dingen haften und in ihrer Ichheit befangen aus Angst, sich<br />

selber zu verlieren und alles, woran ihr Herz hing, aufzugeben. Erst wenn sie sich dem Sturm<br />

gelassen überlassen und ihre Ichheit fahren lassen, kann Gott in ihnen geboren werden.<br />

Nach diesem Sturm kommt das Beben, das den Grund erschüttert und alles vernichtet, was in uns<br />

vergänglich ist und der Geburt entgegensteht. Und danach kommt das Feuer, die göttliche Liebe, die<br />

den äußeren Menschen verzehrt und den inneren gottförmig macht und bis in den äußeren<br />

Menschen hinein als Glut und Licht verspürt wird; so stark dringt die göttliche Liebe durch den<br />

Geist und bis in den Leib.<br />

Aber in alledem wird Gott noch nicht als gegenwärtig erfahren. Erst wenn Sturm, Beben und Feuer<br />

alles, was dem äußeren Menschen zugehört, restlos vernichtet und verwandelt haben, naht Gott<br />

selbst mit seiner Kraft und seinem Licht in einem stillen sanften Wehen und Raunen und offenbart<br />

sich dem inneren Menschen mit einem Blick – so strahlend, daß Elias sein Haupt verhüllte, weil<br />

dieser Anblick für die Natur, den äußeren Menschen, unerträglich ist.<br />

Wie das schwache Auge des Leibes schon nicht in die Sonne sehen kann, ohne geblendet zu<br />

werden, so kann das innere Auge das volle Licht der Gottheit zuerst nicht länger als in einem kurzen<br />

Blick ertragen. Aber durch diesen Blick wird der innere Mensch in einen solchen Frieden versetzt,<br />

daß ihn hernach nichts mehr entfrieden kann.<br />

Das Bild, das Hiob sah, war Christus als Lichtstrahl der Gottheit. Und die Gestalt, die sich erst im<br />

stillen sanften Wehen offenbart, ist der Geist Gottes. Selig jeder Mensch, der auch nur einen<br />

Augenblick vor seinem Tode hierzu gelangt!<br />

Und doch ist dieses Erblicken Gottes nicht zu vergleichen mit der unendlichen Seligkeit, die das<br />

völlige Erwachen zum ewigen Leben, zum Reiche Gottes, mit sich bringt. Wer dorthin gelangt, der<br />

entsinkt in sein unergründliches Nichts und darüber hinaus in unaussprechlicher Weise in den<br />

Lichtabgrund der Gottheit.<br />

In diesem völligen Zunichtewerden ist er sich selber von Grund auf entformt, und in diesem<br />

Entworden-sein wird Gott in ihm geboren.

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