Johannes Tauler - DAS REICH GOTTES IN UNS - geistiges licht
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Grund; und je tiefer und unergründlicher die Versenkung ist, desto inniger und vollkommener<br />
nimmt sich Gott ihrer an und wirkt durch sie sein Werk.<br />
Daß wir alle diesen schmalen Weg durch die Finsternis gehen, bis das Licht in uns aufbricht, dazu<br />
helfe uns Gott!<br />
SELIGKEIT DER GOTT-VERB<strong>IN</strong>DUNG<br />
"Nehmet auf euch mein Joch und lernet von mir. Denn mein Joch ist sanft und meine Last ist<br />
leicht." Matth.11;29 f.<br />
Christus, das ewige Wort, sagt: "Mein Joch ist sanft und meine Last ist leicht." Dem widerspricht<br />
der nach außen gerichtete Mensch, der sich von der Natur treiben läßt. Er meint, Gottes Joch sei<br />
hart und seine Last schwer. Und doch muß das Wort wahr sein, denn die ewige Wahrheit hat es<br />
gesagt.<br />
Ein ,Joch' nennt man ein Ding, das man mühsam nach sich zieht; doch sein ursprünglicher Sinn ist:<br />
Gebundensein an oder Verbundensein mit etwas. Und eine ,Last' nennt man etwas, das einem<br />
aufgeladen ist und durch sein Gewicht schwer drückt und bedrückt.<br />
Sinnbildlich meint das ,Joch' den inneren Menschen und die ,Last' den äußeren. Der <strong>licht</strong>e innere<br />
Mensch ist aus dem strahlenden Urgrund der Gottheit hervorgegangen und nach dem lauteren Gott<br />
gebildet, und er fühlt sich auch wieder dorthin geladen, gerufen und gezogen, damit er alles Guten<br />
teilhaftig werde.<br />
Wie nun Gott im innersten Seelengrund seinen Gottesgrund gelegt und dort verborgen hat – selig<br />
der, der das findet, schaut und erkennt! Denn obwohl der Mensch sein Antlitz von dort weg und<br />
nach außen gekehrt hat und irregeht, spürt er doch ein ewiges Locken und Neigen und<br />
Gezogenwerden nach innen. Und er findet keine Ruhe, soviel er sich dem auch entzieht; denn alle<br />
anderen Dinge können ihm keine Befriedigung geben außer diesem einen: dies drängt und zieht ihn<br />
ohne sein Wissen – in sein Allerinnerstes. Hier ist sein Ziel.<br />
Jedes Ding hat seine Heimstatt: der Stein auf der Erde, die Seele in Gott.<br />
Wem ist nun dieses Joch, diese Bindung sanft und angenehm?<br />
Nur dem Menschen, der sein Antlitz, sein Gemüt und sein Werk von den äußeren Dingen und<br />
Kreaturen ab- und nach innen gewendet hat.<br />
Die Seele steht zwischen Zeit und Ewigkeit: wendet sie sich der Zeit zu, so vergißt sie die Ewigkeit;<br />
werden ihr die Dinge fern und entrückt, so sind sie, wie alles Ferne, klein und nichtig; und im<br />
gleichen Maße wird Gott mit seinem Licht der Seele sichtbar.<br />
Der vollen Seligkeit der Gott-Verbindung aber wird die Seele nur teilhaftig, wenn sie sich gänzlich<br />
den Dingen und den Bildern der Dinge entzieht. Denn wie edel diese Bilder auch sein mögen, sie<br />
bilden ein Hemmnis für das Sichtbarwerden des Bildners, der Gott ist. Wer nicht nach der<br />
Entbildung von allem Äußeren trachtet, erkennt nicht das Verbundensein seiner Seele mit Gott und<br />
gelangt nicht zum Einssein.<br />
Wer sich nicht mindestens einmal am Tage nach innen wendet und in den Seelengrund einsenkt – je<br />
nach seinem Vermögen –, der lebt nicht als rechter Christ und Nachfolger Christi. Die ihm aber<br />
Raum geben, sich der Bilder begeben und sich Gott hingeben, so daß sein Licht sich in ihre Seele<br />
ergießen kann, denen ist das göttliche Joch – das Bewußtsein ihres Verbundenseins mit Gott – über<br />
alle Maßen beseligend, und alles äußere ist ihnen unwesentlich.