Johannes Tauler - DAS REICH GOTTES IN UNS - geistiges licht
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DER WEG NACH <strong>IN</strong>NEN<br />
"Folge mir nach" – Und er verließ alles und folgte ihm nach." Luk. 5; 27 f.<br />
Der Herr sprach zu Matthäus: "Folge mir nach!" Und dieser ließ alle Dinge und folgte dem Ruf. Der<br />
Heilige war zuerst ein Sünder und ward hernach einer der größten Gottesfreunde; denn als Christus<br />
ihn inwendig ansprach, ließ er alle äußeren Dinge und folgte ihm.<br />
Hierin liegt alles: um Gott in Wahrheit zu folgen, ist völliges Lassen all der Dinge nötig, die nicht<br />
Gott sind, es sei, was es sei: was immer der Mensch um sich, an sich und in sich findet, Lebendes<br />
oder Totes, das Ich oder etwas vom Seinen.<br />
Denn Gott will unser Herz, und es ist ihm nicht zu tun um das, was wir äußerlich wirken, sondern<br />
um die Hingabe unseres Herzens, um unser Bereitsein zu allem, was göttlich ist. Das ist mehr als<br />
alles Beten und üben und was man sonst noch äußerlich tun kann.<br />
Dies meinte Christi Ruf: "Folge mir nach!" Diese Nachfolge geschieht zumeist mit Hinwendung der<br />
Gedanken und mit Danken und Loben, bisweilen aber auch auf einem höheren Wege der Nachfolge:<br />
nämlich ohne all dies, weder mit Gedanken noch irgendeinem anderen Tun, sondern nur mit einem<br />
inwendigen gelassenen stillen Schweigen in dem nach innen gewandten Gemüt, das willig wartet<br />
und lauscht, was Gott in ihm wirken will.<br />
Es gibt manch, denen bei ihren äußeren Übungen recht wohl ist: das fällt ihnen alles leicht – Beten,<br />
Fasten, Wachen und geistige Übungen, daran haben sie so große Lust, daß Gott um so weniger<br />
daran hat. Diese Lust kann so groß sein, daß Gott sich gänzlich abwendet, weil diese Menschen ihre<br />
Werke aus sich tun und sich dabei groß fühlen, während ihr Ich doch nichts ist und Gott alles.<br />
Wenn man fragt, wodurch man die Lust von dem, was gut ist, scheidet, so antworte ich: durch<br />
Hingabe, d. h. dadurch, daß man alle Lust, die man an guten Werken und Übungen hat, in das Feuer<br />
der Liebe wirft und Gott darbietet, dem alles gehört.<br />
Die Annehmlichkeit aber, die von Natur den Werken anhaftet, sofern sie gute Werke sind, die mag<br />
der gelassene Mensch wohl haben.<br />
Bei rechtern Hinsehen sind es vier Hindernisse, die es auf dem Wege nach innen zu erkennen und<br />
zu überwinden gilt:<br />
Das erste Hindernis besteht darin, daß man mehr dem äußeren Leben zugewendet ist und zuneigt als<br />
dem inneren, sich mehr auf das äußere Wissen verlässt, als auf die Weisungen von innen, also nicht<br />
mit seiner ganzen Liebe Gott zugewendet ist, sondern nur mit einem Teil seines Wesens, und darum<br />
Gottes lebendige Gegenwart und seinen Willen nicht spürt.<br />
Das zweite Hindernis besteht in teils äußeren, teils inneren Erleuchtungen in Formen, Gesprächen<br />
und Gesichten nach fremden Weisen, denen man nachläuft, statt sich nach sich selbst zu richten und<br />
unbeirrt von diesen Lockungen und Ablenkungen allein Gott im Auge zu haben.<br />
Das dritte Hindernis besteht im Hin- und Herflattern in übersinnlichen Erlebnissen und Wahrheiten,<br />
die man sich auf dem Wege nach innen als Verdienst anrechnet, mit dem Licht des Verstandes<br />
betrachtet und lustvoll genießt; denn die Folge ist Selbsttäuschung und Selbstüberhebung und<br />
zunehmendes Abirren vom Wege nach innen, der ausschließlich Gott zum Ziel und Gegenstand hat.<br />
Das vierte Hindernis besteht im Mißverstehen der Forderung der Abgeschiedenheit und des<br />
Lassens, nämlich in einer inneren blinden Untätigkeit ohne tätige Liebe, wobei man körperlich in<br />
Ruhe dasitzt und in falscher Hinneigung zu sich selbst einschläft oder in sich einsinkt in der<br />
Meinung, dieses Untätigsein sei der Friede Gottes, während es nur Lässigkeit und Trägheit ist.<br />
Wer diese vier Hindernisse vermeiden und nur Gott im Sinne haben will, der übe sich mit aller<br />
Hingabe außen wie innen ohne Eigenwollen in der Einfügung in den Willen Gottes in ihm.