Johannes Tauler - DAS REICH GOTTES IN UNS - geistiges licht
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Anreizen, die von außen kommen oder nach dem, was ihnen gerade in den Sinn kommt. Und so<br />
eilen sie hierhin und dorthin und kommen von dem Wege ab, zu dem sie gerufen sind.<br />
Darum die Mahnung, oft in uns selbst einzukehren und immer wieder zu prüfen, womit wir<br />
umgehen und wohin wir gehen, daß wir nicht von uns selber abkommen und den Weg verfehlen, zu<br />
dem wir berufen sind.<br />
Nur dann gelangen wir auf die obere Stufe und den höchsten Weg der Berufung, auf dem wir<br />
Christus nachfolgen, äußerlich und innerlich, wirkend und lassend, bildlich und bildlos. Wer ihm<br />
nachfolgt und damit aus seiner Ichheit heraustritt, der erreicht das höchste Ziel.<br />
Aber wie viele nennen sich Christen und sind doch keine Nachfolger Christi. Von ihnen spricht<br />
Lukas in seinem Evangelium (14; 16 f.), wenn er von dem Herrn berichtet, der ein großes<br />
Abendmahl richtete und seine Diener zu den Geladenen sandte: ,Kommt, denn es ist alles bereit!' –<br />
Aber wie wenige kamen? Der eine hatte gerade einen Acker erworben und war unabkömmlich; der<br />
andere hatte einen Ochsen gekauft; der dritte hatte geheiratet und konnte deshalb der Einladung<br />
keine Folge leisten.<br />
Von dieser Einladung sagt Gregorius, sie sei erstens ein Ruf zum inwendigen und unmittelbaren<br />
Erkennen des Seelengrundes, in dem das Reich Gottes ist, und zum Fühlen und Miterleben, mit<br />
welcher Liebe Gott da wohnt und wirkt. Zweitens sei sie ein Ruf zum heiligen Sakrament Christi.<br />
Und drittens sei sie eine Einladung zum Eintritt in das ewige Leben.<br />
Wer nun der ersten Einladung folgen will, der achte darauf, wann immer er gerufen wird. Die<br />
Meister sagen mit Recht: Wer nicht in gewisser Weise einen Vorgeschmack hiervon hat, darauf<br />
eingestellt, dafür aufgeschlossen und hörbereit ist, der wird den Ruf überhören und die Einladung<br />
versäumen.<br />
Nun werden sich allerdings manche guten Menschen ihr Leben lang nicht bewußt, eingeladen zu<br />
sein. Und doch sind sie dem Reiche Gottes in ihnen näher als jene, die den Ruf vernahmen, der<br />
Einladung bewußt wurden, ihr aber wegen des Haftens an äußeren Dingen nicht zu ihrer Stunde<br />
folgten.<br />
Es gibt manche, die sich durch die ihnen gewordenen Offenbarungen und Erleuchtungen als<br />
Berufene und Eingeladene ausweisen, davon aber nicht den rechten Gebrauch machten und so nur<br />
bis zum Eingang des Reiches Gottes gelangen, jedoch nicht eintreten und bewirtet werden. Denn<br />
Gott mißt jedes Menschen Bereitschaft nach dem Maße seiner Liebe. Wer in den Grund einkehren<br />
und in das Reich Gottes eintreten will, der muß sein Herz und seine Liebe von allem gelöst haben,<br />
das nicht Gott ist oder nicht von Gott kommt.<br />
Die zweite Einladung ist das Sakrament Christi, von dem später zu sprechen sein wird. Auch dazu<br />
werden wir alle Tage gerufen und eingeladen, Gott wie Speise und Trank in uns aufzunehmen,<br />
damit er wie diese in uns aufgehen kann und wir dabei ganz in ihn verwandelt werden. Wir können<br />
von diesem Sakrament und der dadurch bewirkten Wandlung nie genug begehren und können uns<br />
nicht oft genug nach innen wenden und uns an das Lassen und Hingeben unserer selbst gewöhnen.<br />
Und wir können uns nicht oft genug der Andacht und Meditation überlassen und, statt äußeren<br />
Dingen nachzusinnen und nachzujagen, uns selbst auf den Grund gehen, uns auf das Reich Gottes<br />
in uns besinnen und uns ihm aufschließen.<br />
Dazu aber müssen wir zuvor ,aus Ägypten ausgefahren sein', also das Reich der Finsternis verlassen<br />
haben, das Hängen am Äußeren, wenn uns das Brot, das vom Himmel kommt, munden und<br />
bekommen soll, von dem es heißt: "Wer dies Brot isset, der wird leben in Ewigkeit."<br />
Dies Brot ward den von Gott Auserwählten nicht zuteil, solange sie noch von dem Mehl zehrten,<br />
das sie aus Ägypten mitgebracht hatten, das heißt: solange ihnen noch die äußeren Dinge Genuß<br />
bereiteten und sie an diese hingegeben waren. Erst wenn der Mensch nicht mehr aus den Sinnen<br />
lebt, sondern aus dem Geiste zu leben gelernt hat, wird ihm die göttliche Speise gereicht und der<br />
Hunger seiner Seele wird gestillt.