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Johannes Tauler - DAS REICH GOTTES IN UNS - geistiges licht

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FÜNFFACHE FESSELUNG<br />

"Er ist aufgefahren in die Höhe, hat das Gefängnis gefangen geführt und hat den Menschen Gaben<br />

gegeben." Eph. 4,' 8<br />

Christus fuhr auf gen Himmel und ,führte das Gefängnis gefangen' mit sich. Was heißt das:<br />

Fünf Fesseln sind es, die uns in der Zeit gefangen halten und die Christus von uns nimmt, wenn er<br />

in uns auffährt:<br />

Die erste Fessel besteht in der Liebe zu den Kreaturen und im Hängen an ihnen, sie seien lebendig<br />

oder tot. Besonders ist es die Liebe zu den Menschen, die ja von Natur wegen der Gleichheit der<br />

Menschen naheliegt. Die einen Menschen gehen ganz darin auf und leiden unter dem Fernsein<br />

voneinander und unter dem Verlust, während die anderen sich ohne diese Liebe wohlfühlen, gute<br />

Werke tun, dienen und in Andacht beten, damit man ihnen die Liebe und die Welt um so mehr<br />

gönne – und dabei nicht merken, wie sehr sie gefesselt sind und wie viel besser es wäre, sie würden<br />

weniger um ihr Erdenglück beten und mehr ihrer Gefangenschaft inne werden.<br />

Die zweite Fessel besteht darin, daß manche, wenn sie von der ersten Fessel, der äußeren Liebe zu<br />

den Kreaturen, frei werden, der Selbstliebe verfallen und in dieser Ichverhaftung in allen Dingen<br />

das Ihre suchen: ihren Nutzen, ihre Lust, ihren Trost, ihre Bequemlichkeit oder Ehre. Sie sind so in<br />

ihr Ich versponnen und versenkt, daß sie in allen Dingen, selbst in Gott, das Ihre suchen und nichts<br />

anderes. Was findet man, wenn man bei ihnen in den Grund sieht? Was sich als Heiligkeit gebärdet,<br />

ist leerer Schein.<br />

Wie schwer sind solche Menschen aus dem Gefängnis des Ich zu befreien! Wenn man so an sich<br />

selbst hingegeben ist – wer kann da helfen? Wohl niemand außer Gott. Aber wenn solchen<br />

Menschen das, was sie lieben, genommen wird, ihre Bequemlichkeit oder ein Freund, ein Gut oder<br />

sonst etwas, an dem ihr Ich hängt, bedenken sie Gott mit zornigen oder anklagenden Worten, statt<br />

den Schritt von der Ich-Liebe zur Selbst-Erkenntnis zu tun.<br />

Die dritte Fessel ist die des Verstandes. Das ist eine schwere Fessel, weil die darin Gefangenen<br />

alles, was im Geiste geboren werden sollte, mit dem Verstande beleuchten, es sei eine Wahrheit oder<br />

eine Erkenntnis gleich welcher Art, damit sie darüber reden können und dadurch etwas scheinen<br />

und erhöht" werden. Sie sind reich an beleuchtenden Worten, aber gering an Erleuchtung und<br />

lebendigen Werken.<br />

Auch die Vorbilder Christi fassen sie nur mit dem Verstande. Würden sie sie in das göttliche Licht<br />

der Vernunft tragen, dann würden sie erkennen, daß ihre Meinung im Vergleich zur Wirklichkeit so<br />

winzig und unbedeutend ist wie ein Talg<strong>licht</strong> gegenüber der Sonne. Gleichermaßen ist alles<br />

natürliche Licht gering gegenüber dem göttlichen Lichte.<br />

Diesen Unterschied gilt es zu erkennen:<br />

Das natürliche Licht des Verstandes scheint nach außen, in eitler Selbstspiegelung, im Ruhm der<br />

Leute, im Urteil anderer Menschen. Es lenkt alles nach außen und führt zur Zerstreuung der Sinne<br />

und des Gemüts.<br />

Das göttliche Licht hingegen neigt sich ganz nieder und einwärts in den Grund, und der, in dem es<br />

leuchtet, dünkt sich der Geringste. Und das ist recht: denn ist etwas da, so ist es gänzlich Gottes.<br />

Das göttliche Licht lenkt alles nach innen, nicht nach außen. Es weist stets auf den inwendigen<br />

Grund, aus dem es geboren ist. Dorthin strebt und leitet es mit aller Kraft. Alles Tun eines solchen<br />

Menschen geht nach innen, zum Ursprung.<br />

Darum ist ein großer Unterschied zwischen denen, die die Schrift lesen, und jenen, die sie leben.<br />

Die sie mit dem Verstande lesen, wollen erhöht und geehrt sein, und sie verachten und verdammen<br />

jene, die danach leben. Sie verstehen nicht das Wort des Paulus: "Die Schrift tötet, aber der Geist

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