Johannes Tauler - DAS REICH GOTTES IN UNS - geistiges licht
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Drei Dinge sind hier zu beachten:<br />
das eine ist das Begehren und das, was da sucht;<br />
das zweite ist die Weise des Suchens;<br />
und das dritte ist das Finden der Geburt.<br />
Ihnen entsprechen drei Kräfte:<br />
die eine eignet der Natur in Fleisch und Blut, das ist die Sinnenhaftigkeit, die an die<br />
Leibessinne gebunden ist;<br />
die zweite ist die Vernunft;<br />
die dritte ist eine lautere Substanz der Seele.<br />
Diese drei sind ungleich und empfinden auch ungleich – jede nach ihrer Art.<br />
Es ist wie mit dem Sonnen<strong>licht</strong>, das an sich einfaltig ist: ihr Schein wird in verschieden gefärbten<br />
Gläsern ungleich sichtbar, wenn etwa ein Glas schwarz, ein anderes gelb und ein drittes weiß ist.<br />
Unter dem schwarzen Glas mag man die Sinnenhaftigkeit verstehen, unter dem gelben die Vernunft<br />
und unter dem weißen den lauteren Geist:<br />
Wenn nun der Schein der Sinnenhaftigkeit in der Vernunft und diese im Geiste aufgeht, wird das<br />
Schwarze gelb und das Gelbe weiß und es entsteht eine lautere Einfaltigkeit, in der das Licht allein<br />
leuchtet und nichts sonst.<br />
Das will sagen: wenn das Licht von innen recht empfangen wird und allein leuchtet, so fallen alle<br />
äußeren Bilder, Formen und Gleichnisse fort und das Licht zeigt die Geburt in der Wahrheit. Der<br />
Himmel ist dann in seiner natürlichen Dunkelheit; wird er nun gänzlich zu lauter Sonne, so daß<br />
nichts in der Seele leuchtet als das göttliche Licht, dann entweichen und schwinden alle äußeren<br />
Bilder und Formen.<br />
Wohlgemerkt: der den drei Weisen die Geburt kündete, war kein Stern gleich den anderen am<br />
Himmel. Er erstrahlt innerlich. Daß er in uns aufgehe und uns leuchte und erleuchte, darauf zielt<br />
unser aller Leben.<br />
Ob dieser Stern einem Menschen aufgegangen ist, ob er das innere Licht hat, erkennt man mit<br />
Sicherheit, wenn ihn Leid trifft. Denn dann wendet sich der zum inneren Licht Erwachte, der wahre<br />
Gottesfreund, um so williger zu Gott hin, nimmt es von Gott so, daß er es mit ihm oder in ihm leidet<br />
oder in ihm verliert, weil Gott ihm so innerlich ist, daß Leid ihm kein Leiden ist, sondern Freude.<br />
Die Weltfreunde hingegen wissen, wenn Leid sie überfällt, nicht, wohin sie sich wenden sollen: sie<br />
laufen alles ab und suchen allerorten Rat, Trost und Hilfe. Und wenn sie sie nicht finden,<br />
verzweifeln und zerbrechen sie. Sie haben das Haus ihres Lebens nicht auf den Felsen, der Christus<br />
ist, gebaut, sondern auf dem Sand der Zeitlichkeit. Sie sind schlechter daran als die einfachen<br />
Menschen, die sich für klein und unbedeutend halten und in Demut dahinleben; denn diesen ist<br />
leichter zu raten und zu helfen, weil sie Fehler erkennen und bereit sind, sich zu wandeln.<br />
Gegen alle Hindernisse, die der Heimkehr in Gott entgegenstehen, hat uns der gütige Gott Trost und<br />
Hilfe gegeben, indem er seinen eingeborenen Sohn sandte, damit sein Licht und sein Wort in uns<br />
uns leite und helfe, das dunkle und trügende Licht der Ichheit in seinem wahren, wesentlichen Licht<br />
zu lösen und auszulöschen.<br />
Denn Christus ist das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet: es leuchtet in der Finsternis des<br />
äußeren Menschen, aber die Finsternis nimmt es nicht auf. Nur die ,geistig Armen', die von<br />
Ichhaftigkeit, Eigenliebe und Eigenwillen freien, nach innen gewendeten Menschen erkennen das