Johannes Tauler - DAS REICH GOTTES IN UNS - geistiges licht
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Darauf zielt das Wort der Meister: Wenn eine neue Form werden soll, muß die alte zerbrechen.<br />
Neues Leben entsteht nur aus dem Tode des alten. Soll der innere Mensch überformt werden mit<br />
dem überwesentlichen Wesen Gottes, so muß der äußere Mensch mit allem, was er ist und weiß,<br />
will und wirkt, notwendig entwerden. Alle Zweiheit, aller Gegensatz zwischen Objekt und Subjekt,<br />
alles Außenwesen muß verschwinden. Als Paulus nichts sah, da schaute er Gott.<br />
Wenn alles Äußere, alles Gewordene entworden ist, dann – mit einem Blick – wird der Mensch<br />
verwandelt. In dieser Weise mußt Du einwärts und vorwärts gehen. Darum spricht Gott: "Du sollst<br />
mich Vater nennen und nicht aufhören, hineinzugehen" – immer vorwärts, hinein und aufwärts auf<br />
dem steilen Pfad! Je höher, desto tiefer entsinkst Du in den unermeßlichen Abgrund Gottes und<br />
verlierst über alle Weisen, Bilder und Formen hinaus Dich selbst und entbildest Dich hier völlig.<br />
Alsdann bleibt in dieser Ungewordenheit nichts als der Gottesgrund, der in sich selber ruht – ein<br />
Wesen, ein Leben, ein Allsein. Von diesem Zustand kann man wohl sagen, man werde erkenntnislos<br />
und ichlos, liebelos und werklos – nicht aus sich selbst, sondern durch die Wandlung, die der Geist<br />
Gottes im geschaffenen Geiste wegen seiner Gelassenheit vollzieht. In ihm erkennt und liebt Gott<br />
sich selbst.<br />
Der Weg nach innen, der zu diesem Ziele führt, geht über Christus: Er ist das Tor, durch das man<br />
schreiten muß, um die Schranken der Natur zu durchbrechen. Er ist der Weg, den man gehen soll,<br />
die Wahrheit, die auf diesem Wege leuchten soll, und das Leben, zu dem man gelangen soll.<br />
Wer diesen Weg geht, der gelangt zur höchsten Freiheit.<br />
Paulus sagt von solchen Menschen: "Die vom Geiste Gottes getrieben oder geführt werden, die sind<br />
unter keinem Gesetz." Das kann man nicht sagen von denen, die die Welt lieben. Die aber diesen<br />
Weg gehen, die sind mit ihrem obersten Teile, ihrem inneren Menschen, über der Zeit, in ihrem<br />
unteren Teil, ihrem äußeren Menschen, frei und gelassen:<br />
Wie auch immer die Dinge kommen, sie leben aus dem Geiste und stehen in einem gelassenen<br />
Frieden. Sie nehmen alle Dinge von Gott, tragen sie lauter wieder zu ihm empor und bleiben in<br />
Frieden, wie auch immer Gott die Dinge fügt und wie sehr der äußere Mensch davon betroffen sein<br />
mag. Diese Menschen sind selig zu nennen. Aber sie sind dünn gesät.<br />
Daß wir alle den Weg nach innen gehen und ihnen gleich werden, dazu helfe uns Gott!<br />
HILFEN AUF DEM <strong>IN</strong>NEREN WEG<br />
"Habe deine Freude am Herrn; und er wird dir geben, was Dein Herz begehrt. Befiehl dem Herrn<br />
deine Wege und hoffe auf ihn; er wird's wohl machen, und wird deine Gerechtigkeit hervorbringen<br />
wie ein Licht." Ps. 37; 4 f.<br />
Vom Wege nach innen und der rechten Hinwendung zu Gott handeln die Worte im Psalter, die uns<br />
sagen, was wir tun sollen, um zum göttlichen Leben zu kommen.<br />
Drei Dinge sind dazu dienlich: Fasten, Wachen und Schweigen.<br />
Was heißt Fasten? Es heißt – äußerlich –, daß wir uns in der Nahrungsaufnahme beschränken,<br />
morgens nur das Notwendige essen und abends nur wenig: das ist das Beste zur Meisterung der<br />
Natur und zur Entfaltung des Geistes.<br />
Man gehe zeitig schlafen, um so früh wie möglich wach und bereit zu sein, sich zuerst und vor<br />
allem Gott zuzuwenden und sich ihm – im Sinne der Worte des Propheten – offen zu halten.