Johannes Tauler - DAS REICH GOTTES IN UNS - geistiges licht
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werden, um Kraft von oben zu gewinnen, soll er darauf im Vergleich zu seinem Werk nur geringe<br />
Zeit verwenden, es wie die Nahrung nur als Labung und Erquickung werten, die im Werk<br />
aufgezehrt und auf diese Weise Gott wieder zurückgegeben wird.<br />
Die solchermaßen die Gaben Gottes leiblich wie geistig in ihrem Werk wieder zu Gott<br />
zurücktragen, ihnen also nicht um ihrer selbst willen nachjagen, das sind jene, die allezeit mehr<br />
Gaben von Gott empfangen.<br />
Wer das noch nicht erfahren hat, der möge sein ganzes Vertrauen in Gott setzen und ihn durch sich<br />
wirken lassen. Dann gleicht er dem edlen Holz der Reben, das außen schwarz und dürr erscheint,<br />
unter dieser unscheinbaren Hülle aber die lebendigen Adern und die göttliche Kraft verbirgt, aus der<br />
die edelste aller Früchte hervorgeht.<br />
Solchermaßen sind die rechten Arbeiter im Weinberg des Herrn beschaffen: Äußerlich scheinen sie<br />
nichts zu sein, erscheinen klein und unbedeutend, innen aber, im Seelengrund, in dem sie nichts aus<br />
sich wollen und sind, sondern Gott allein wollen und wirken lassen, sind sie von den lebendigen<br />
Adern göttlichen Lebens durchzogen.<br />
Das sind die Reben, die der Weingärtner mit starken Pfählen versieht, damit sie Halt haben.<br />
Danach umgräbt er die Weinstöcke und jätet das Unkraut aus. Ebenso soll der Mensch sich<br />
umgraben in einem tiefen Achthaben auf seinen Grund, ob da etwas sei, das auszujäten ist, damit<br />
die göttliche Sonne den Grund unmittelbar mit ihrem Licht erreichen und ihre Kraft wirken lassen<br />
kann, so daß die edlen Trauben zu voller Reife gelangen.<br />
Wer seinen Weinstock so bereitet, daß die Sonne Gottes ungehindert darin wirken kann, der bringt<br />
das Edelste, das in ihm ist, zum Vorschein. Alsdann kann nichts Niederes ihm etwas anhaben und<br />
die Reifwerdung verhindern.<br />
Würden auch alle bösen Mächte sich gegen einen solchen Menschen verschwören und<br />
zusammenwirken, um ihm zu schaden – sie würden dadurch nur seine Reife beschleunigen. Und<br />
würde er von ihnen in den tiefsten Höllengrund gezogen, so würde sich auch dort das Reich Gottes<br />
in ihm entfalten und alles <strong>licht</strong> und selig werden lassen. Dem, der nur Gott im Sinn hat, kann nichts<br />
schaden.<br />
Und schließlich wird die Reife vollendet, die hemmenden Schalen werden dünner, bis die innere<br />
Süße vollkommen ist: so werden die äußeren Hemmnisse immer geringer und das innere Licht<br />
immer heller.<br />
So oft der Mensch sich nun nach innen wendet, strahlt ihm die innere Sonne Gottes heller, und so<br />
wird sein ganzes Wesen durchgottet, daß er die äußeren Dinge mit den Augen und im Lichte Gottes<br />
sieht und alles ohne Hemmnis empfängt und gibt.<br />
Dann fallen alle äußeren Weisen, Gebete und Übungen von selbst ab, weil er ihrer nicht mehr<br />
bedarf. Denn sein Geist entsinkt nun so sehr in die süße Seligkeit Gottes, daß zwischen seinem<br />
Wesen und dem Wesen Gottes kein Unterschied mehr ist. Nun herrscht jene lautere stille Einheit, in<br />
der ein Augenblick tausendmal nützlicher und seliger und Gott lieber ist als vierzig Jahre geistiger<br />
Übung.<br />
Daß uns allen als Frucht unseres inneren Reifens diese Einheit zuteil werde, dazu helfe uns Gott!