Johannes Tauler - DAS REICH GOTTES IN UNS - geistiges licht
Johannes Tauler - DAS REICH GOTTES IN UNS - geistiges licht
Johannes Tauler - DAS REICH GOTTES IN UNS - geistiges licht
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Wohl denen darum, die auf den inneren Ruf achten, auch der zweiten Einladung folgen und in den<br />
Genuß der göttlichen Nahrung kommen, damit sie nicht in den Tod fallen, d. h. in die Liebe zu den<br />
geschaffenen Dingen zurückfallen und damit ihres Adels, Erben des Reiches Gottes zu sein,<br />
verlustig gehen.<br />
Denn so handeln viele der Gerufenen und Geladenen, deren Glaube klein und deren Hingabe gering<br />
ist: wenn der Ruf ergeht, nahen ihnen Zweifel und Anfechtungen. Sie denken: "Wozu mich ins<br />
Ungewisse wagen; es ist doch wohl besser, wenn ich in der Welt bleibe und sie, die Kreaturen und<br />
Güter der Welt, die ich habe, genieße, als wenn ich all das lasse."<br />
So bleibt mancher an der Schwelle des Reiches Gottes stehen und kehrt wieder um, weil er Gott<br />
nicht vertraut. Wer aber nicht an der Schwelle zurückblickt, sondern eintritt, der folgt damit der<br />
dritten Einladung und tritt in das Reich des ewigen Lebens ein.<br />
Hieran möge nun jeder ermessen, wie nah oder fern er Christus ist. Er muß Ihm innerlich folgen<br />
und Ihn in sich suchen, wo Er im Grunde wesentlich und wirklich lebt. Er muß sich immer aufs<br />
neue in sich selber einsenken und in Stille und Schweigen ohne alle Werke und Bilder die Einheit<br />
im Geiste wahren, auf daß, wie Paulus hierzu weiter sagt, ein Leib und ein Geist sei, ein Vater und<br />
ein Gott in der Überformung des geschaffenen Geistes durch den unerschaffenen Geist, nach der<br />
nicht mehr zwei sind, sondern nur noch einer.<br />
Von da an gilt es, "würdig in dieser Berufung zu wandeln", aus dem Geiste der Einheit zu leben.<br />
Und das heißt: äußerlich die Eigenheit eines jeden zu achten, innerlich aber auf die Einheit in<br />
Christo achtzuhaben.<br />
Es bedeutet, daß der Mensch, der die obere Stufe erreicht hat, sich zuweilen in dienstwilligen<br />
Liebeswerken übt, soweit es nottut und ihm zukommt, zu anderen Zeiten sich dem heimlich entzieht<br />
und sich in Gebet und Versenkung ganz nach innen wendet, und wieder zu anderen Zeiten keines<br />
von beiden tut, sondern dem Rat des Heiligen Anselmus folgt: "Entziehe dich der Mannigfaltigkeit<br />
äußerer Werke, entschlafe dem Bildermeer der Gedanken und sitze und ruhe und erhebe dich selbst<br />
über dich selbst!"<br />
Denn wenn der Mensch gänzlich zu friedevoller Stille geworden und alle Unruhe verklungen ist,<br />
dann kommt Gott in einem sanften stillen Wehen und Wispern und richtet seinen Blick in den Geist.<br />
Und wenn der Geist der Gegenwart Gottes inne wird, geschieht es ihm zuerst wie Elias, der ob des<br />
strahlenden Lichts der göttlichen Gegenwart sein Haupt verhüllte. Das heißt: der Mensch entgleitet<br />
sich selbst, verliert seine Ichheit und entsinkt allen Dingen und Kreaturen in sein lauteres Nichts.<br />
Wenn Gott sieht, daß die Seele so gänzlich aus sich selbst herausgetreten ist in ihr Nichtsein, dann<br />
umfängt er sie mit der Kraft seiner Liebe und richtet sie auf. Diese Erhebung ist die Folge der<br />
Erniedrigung. Aus der Nichtheit entspringt als Frucht der Einheit die Allheit.<br />
Daß wir dieses göttlichen Rufes und unserer Berufung innewerden und das hohe Ziel erreichen,<br />
dazu helfe uns Gott!<br />
GOTTSUCHER S<strong>IN</strong>D GOTT GESUCHTE<br />
"Welches Weib ist, die zehn Groschen hat, von denen sie einen verlor, die nicht ein Licht anzündet,<br />
das Haus umkehrt und mit Fleiß sucht, bis sie ihn findet." Luk. 15; 8<br />
Dieses Gleichnis will – wie alle Gleichnisse – nicht äußerlich und wörtlich, sondern innerlich und<br />
geistig verstanden werden:<br />
Die Frau ist die Gottheit. Das Licht, das sie entzündet, ist das innere Licht im Menschen. Der