Johannes Tauler - DAS REICH GOTTES IN UNS - geistiges licht
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Armer Mensch – warum traust Du Gott, der Dir so viel Gutes getan, Dir so viele Gaben verliehen<br />
hat und der Dein Leben ist, nicht zu, daß er Dir auch das bißchen, das Du zum Leben brauchst,<br />
geben werde? Ist es nicht ein trauriger Anblick, zu sehen, daß selbst geistige und geistliche<br />
Menschen all ihre Liebe und all ihren Fleiß nur auf ihr Werk richten und so sehr sich, ihr Ich,<br />
meinen, daß sie kaum noch an Gott denken und wenig Verlangen fühlen, sich mit ewigen Dingen zu<br />
befassen, wenn nur die irdischen Dinge, die sie bewegen, gut vonstatten gehen.<br />
Für sie gilt das Wort doppelt, daß man nicht zwei Herren dienen kann – Gott und den äußeren<br />
Dingen –, sondern daß es gilt, zuerst und vor allem nach dem Reiche Gottes zu trachten.<br />
Petrus mahnt uns mit Recht: "Werfet alle eure Sorgen auf Gott, denn er sorgt für euch.“<br />
Denn das Sorgen um äußere Dinge bewirkt dreifachen Schaden im Menschen:<br />
es blendet Verstand und Vernunft, es löscht das Feuer der Liebe aus und es verbaut den Weg<br />
nach innen, der zu Gott führt, zum Reiche Gottes, das inwendig in uns ist.<br />
Darum gilt es, sorgsam darauf zu achten, wohin unser Denken und Streben gerichtet ist, womit wir<br />
umgehen, solange wir in der Zeit wirken, also auf das Woher und Wohin unserer Neigungen und<br />
Gewohnheiten. Denn wenn einer ein oder zwei Jahre in einem Fehler beharrt, wurzelt dieser bereits<br />
so tief in ihm, daß er ihn kaum noch zu überwinden vermag. Noch besser ist es darum, darauf zu<br />
achten, daß kein Fehler im Gemüt Wurzel schlägt, sondern sogleich ausgemerzt wird. Das ist am<br />
Anfang leicht.<br />
Das Wichtigste ist, daß man der Lust an äußeren, sinnenhaften Dingen Einhalt gebietet. Denn<br />
solange das Denken und Trachten nach außen gerichtet ist, bleibt man allen äußeren Lockungen und<br />
Ablenkungen geöffnet und gelangt nicht nach innen, findet nicht zu sich selbst. Der innere Grund<br />
bleibt einem dann verschlossen wie etwas, das unendlich fern ist. Man ist sich selber fremd, und<br />
Ziel und Sinn des Lebens sind ungewiß.<br />
Aber auch die Lust an geistigen Gaben und Werten gilt es zu überwinden. Diese Lust herrscht in<br />
vielen Menschen, die von ihr mehr angezogen werden als von Gott. Sie nehmen diese Lust für Gott;<br />
und wenn sie ihnen genommen wird, vergeht auch ihr guter Wille.<br />
Oft scheint etwas aus göttlicher Liebe zu kommen, und ist doch nur ein Reiz für den äußeren<br />
Menschen und eine Lockung für das Ich. Hier gilt es zu erkennen: Wo man nicht Gott im Sinne hat,<br />
sondern irgendein anderes, mag es noch so hoch scheinen, da ist man noch fern der Wahrheit und<br />
dem Reiche Gottes.<br />
Dieses Reich muß man da suchen und finden, wo es verborgen ist: im Grunde der Seele. Dazu<br />
gehört freilich mancher Kampf; und es wird nicht gefunden, solange nicht aus dem sorgenden<br />
Haften und Hängen am Äußeren gelassenes Lassen geworden ist.<br />
Wie die äußeren Güter müssen auch die inneren durch Liebe und beharrliche Hingabe gewonnen<br />
werden. Und das wird nicht an einem Tage erreicht. Denn die Neigung, daß der Mensch in allem,<br />
was er tut, das Seine sucht, wurzelt tief in seiner Natur; und diese Neigung geht so weit, daß, wenn<br />
er sich Gott zuwendet, er zuerst etwas von ihm haben will: Trost oder Wohlgefühl, Befreiung von<br />
diesem oder jenem, Erleuchtung oder andere Gaben. Und auch das Reich Gottes will er zuerst<br />
haben.<br />
Darum gilt es zu erkennen, daß zuvor an die Stelle des Habenwollens das Lassen treten muß; dann<br />
erst wird uns das Reich Gottes zuteil – und alles übrige dazu.<br />
Hüten wir uns also vor dem ichhaften Streben, selbst geistige Übungen und die Hinwendung zu<br />
Gott nur um der erhofften Gaben und Gewinne willen vorzunehmen! Denn Gott und sein Reich<br />
verbirgt sich uns, solange wir ihn um solcher Dinge willen suchen. Wir sollen Gott suchen und nach<br />
seinem Reiche trachten und nach nichts sonst.