Johannes Tauler - DAS REICH GOTTES IN UNS - geistiges licht
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Daß dies uns allen geschehe, dazu verhelfe uns Gott!<br />
FREI SE<strong>IN</strong> VON SORGEN<br />
"Alle eure Sorgen werfet auf ihn; denn er sorgt für euch." 1.Petr.5;7<br />
Wir alle leben in einer Welt steten Wechsels, Werdens und Vergehens und damit in einer Welt der<br />
Leiden und Sorgen. Aber so viel Leid außen, so viel Licht innen, und wer sich, statt sich von den<br />
äußeren Dingen und Sorgen beengen, ängstigen und jagen zu lassen, gelassen nach innen wendet<br />
und sich und seine Sorgen Gott überläßt, der erwacht zur Freiheit der Kinder Gottes.<br />
Um das zu erreichen, sind drei Dinge nötig: Hingabe, Liebe und Gelassenheit. Mit diesen drei<br />
Dingen erreicht der Mensch alle Vollkommenheit.<br />
Wir sind alle dieser drei Tugenden mächtig. Denn Gott hat sie in seiner Liebe in uns angelegt, damit<br />
wir sie entfalten und mit ihrer Hilfe vollkommen werden.<br />
Vor allem hat er uns als Siegel unserer Verwandtschaft mit ihm das edle göttliche Fünklein in den<br />
innersten Grund unserer Seele gegeben, das uns zuinnerst ist und uns viel näher, als wir uns selber<br />
sind, und das uns, d. h. unserer Ichheit, doch fremd und unbekannt ist. Wären wir in Ordnung, also<br />
mehr nach innen als nach außen gewendet, dann wüßten wir um diesen Gottesfunken in uns,<br />
blieben bei uns selbst und wären innerlich eins.<br />
Anlaß zur ersten Tugend, der Hingabe, finden wir in unserem äußeren und inneren Menschen in<br />
allen nach außen gerichteten Neigungen, die uns an vergänglichen Dingen haften lassen und so ins<br />
Nichts ziehen, und die zugleich die Schwachheit unserer Natur offenbaren, die sich von jeder<br />
Lockung, die von außen kommt, zur Sünde, zur Sonderung und Entfernung von Gott, mißleiten<br />
läßt, dabei aber auch offenbar macht, daß alle Hingabe nach außen in zunehmende Dunkelheit, in<br />
die Nacht des Nichtseins führt, während die wahre Hingabe nach innen zum Licht Gottes in uns<br />
leitet.<br />
Die zweite Tugend ist die wahre göttliche Liebe. Auch diese Kraft hat Gott in uns gelegt. Ein<br />
Meister sagt, es wäre so unmöglich, daß der Mensch ohne Liebe lebt, wie, daß er ohne Seele lebt.<br />
Wäre der Mensch nun in Ordnung und mit sich selber eins, würde er Gott mehr lieben als sich<br />
selbst. Aber die meisten geben ihrer Liebe ebenso wie ihrer Hingabe die falsche Richtung: nach<br />
außen, in die Welt, zu den Wesen und Dingen, statt nach innen: zu Gott und zum ewigen Leben.<br />
Auch hier gilt es also die Wendung von außen nach innen.<br />
Die dritte Tugend ist Gelassenheit. Sie entspringt der Vernunft und der Besonnenheit. Alles, was<br />
nicht aus Besonnenheit gewirkt ist, mangelt des Lichts der inneren Sonne und führt in Dunkelheit,<br />
Wirrnis und Sorge. Rechte Besonnenheit hingegen lehrt und hilft uns, alle Sorgen und uns selbst zu<br />
lassen und gelassen Gott wirken zu lassen.<br />
Damit sind wir wieder bei der ersten Tugend, der Hingabe: sowie wir unsere Sorgen und uns selbst<br />
Gott anheimgeben, sorgt er für uns. Folgen wir dem Willen Gottes, dann leitet er uns. Und je<br />
williger wir uns einwärts wenden und je vollkommener wir uns Gott anheim geben, desto mehr<br />
erfahren wir seine Führung, seine Gaben und Hilfen.<br />
Findet er uns jedoch, wenn er uns ruft, nach außen gewendet und an die Dinge hingegeben, drückt<br />
er uns nieder, und die Sorgen werden riesengroß. Findet er uns aber nach innen gewendet und, der<br />
Nichtheit des Ich bewußt, bereit, uns ihm willig zu überlassen, dann hebt er uns zu sich empor.