Johannes Tauler - DAS REICH GOTTES IN UNS - geistiges licht
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nicht aufgegeben ist, sondern das Lassen lernst: was gut ist, laß gut sein; was böse ist, laß auf sich<br />
beruhen; senke Dich in den Seelengrund und achte auf die Stimme Gottes, die in Dir spricht: sie ruft<br />
Dich und gibt Dir solchen Reichtum und solche Erleuchtung, daß Du keines äußeren Rats und<br />
Beistands mehr bedarfst.<br />
Daß wir diese drei Punkte beachten, nur noch Gott im Sinne haben – nicht nur in Gedanken,<br />
sondern im Gemüt und bis in den Grund unseres Wesens – und ganz in den Grund entsinken, in dem<br />
wir das Bild der göttlichen Dreieinigkeit finden, dazu verhelfe uns Gott!<br />
RECHTE NACHFOLGE<br />
"Meine Schafe hören meine Stimme, und ich kenne sie, sie folgen mir und ich gebe ihnen das ewige<br />
Leben, und sie werden nimmermehr umkehren und niemand wird sie mir aus der Hand reißen." Joh.<br />
10; 27 f.<br />
Die Predigt aus dem <strong>Johannes</strong>-Evangelium berichtet, wie Jesus während einer Kirchweihe zu<br />
Jerusalem im Winter in den Tempel ging.<br />
Der Tempel meint die edle Seele des Menschen mit ihrem <strong>licht</strong>en Innern, auf das Gott mehr<br />
Tätigkeit verwendet hat als auf die äußere Form der Kreaturen. In diesem Tempel war Gottesdienst,<br />
d. h. eine Erneuerung fand in ihm statt.<br />
Wie geschieht diese Erneuerung in diesem Tempel Gottes in uns, in dem Gott viel lieber und<br />
eigentlicher wohnt als in allen Tempeln, die je auf Erden gebaut und geweiht wurden?<br />
Neu nennen wir das, was in seinem Ursprung und Anfang steht: wenn der Mensch mit allen seinen<br />
Kräften und seinem ganzen Wesen in diesen Tempel einkehrt und eingeht, in dem er Gott in<br />
Wahrheit wohnend und wirkend findet, und zwar in lebendiger Innewerdung – nicht nur als<br />
Vorstellungsbild, sondern als beseligende innere Wirklichkeitserfahrung, die wie ein starker Quell<br />
im Grunde der Seele aufbricht und das ganze Wesen erfüllt und erneuert.<br />
Wo das geschieht, da ist in Wahrheit Gottesdienst im Tempel der Seele.<br />
Und so oft diese Einkehr geschieht – und sie mag tausendmal am Tage geschehen –, so oft findet<br />
dort eine Neuwerdung von innen her, eine Erneuerung aus dem Geiste statt – und jedesmal werden<br />
mit solcher Einkehr und Erneuerung neue Lauterkeit, neues Licht und neue Kräfte und Einsichten<br />
geboren.<br />
Es ist etwas beseligendes um diese Einkehr, und nur dazu dienen alle äußeren Werke und Übungen,<br />
und nur hierin finden sie ihre Vollendung. Davon abgesehen, haben sie wenig Bedeutung und Wert;<br />
denn wenn man auch alle guten Weisen und Werke üben soll, soll man doch bei alledem nur diese<br />
Einkehr im Sinne haben, damit der Gottesdienst im Tempel der Seele und die Erneuerung aus dem<br />
Geiste, die Erfüllung mit neuem Geist vollkommen werde.<br />
Nach dem Evangelium war es Winter, als Jesus den Tempel betrat.<br />
Winter ist es immer dann, wenn das Herz erkaltet, erstarrt und hart geworden ist, so daß weder das<br />
Licht noch die Glut Gottes darin sind. Denn der kalte Schnee und der Frost – die niederen<br />
Strebungen, die das Herz nach vergänglichen Dingen gieren lassen – löschen das Liebesfeuer des<br />
Heiligen Geistes im Herzen aus und bewirken ein Ode- und Leersein allen göttlichen Trostes und<br />
der Kraft aus dem Einssein.<br />
Nun gibt es auch noch einen anderen Winter: wenn nämlich ein guter, gänzlich Gott zugewandter