Johannes Tauler - DAS REICH GOTTES IN UNS - geistiges licht
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Äußerlich sind sie oft schwer von den Gottesfreunden zu unterscheiden, da sie oft mehr als diese<br />
mit Übungen und Meditationen, Fasten und Frommtun befaßt sind. Doch in wem der Geist Gottes<br />
ist, der erkennt sie. In einem aber unterscheiden sie sich auch äußerlich von den Gottesfreunden: sie<br />
sind voll von Urteilen über andere Leute und Gottesfreunde, richten gern andere, nur nicht sich<br />
selbst, während die Gottesfreunde niemanden richten als sich selbst.<br />
Sie suchen in allen Dingen das Ihre. Ihre Same beherrscht ihr Denken, ihre Erfahrungen und<br />
Erkenntnisse stehen obenan, in allen ihren Angelegenheiten, auch wenn sie von Gott und göttlichen<br />
Dingen reden, suchen und meinen sie sich selbst und die Befriedigung ihres Ich. Diese pharisäische<br />
Weise ist so tief in ihrem Wesen verwurzelt, daß alle Winkel ihrer Seele voll davon sind, so daß es<br />
unmöglich scheint, davon los zu kommen.<br />
Und doch ist es auf eine Weise zu überwinden, nämlich dadurch, daß sie sich aus ihrem Ich und sich<br />
Gott so hingeben, daß Gott sie gänzlich erfüllt und ihr ganzes Wesen in Besitz nimmt, wie dies bei<br />
den wahren Gottesfreunden der Fall ist.<br />
Doch auch die Gottesfreunde müssen ständig in der Übung bleiben. Denn solange der äußere<br />
Mensch lebt, wird er nie gänzlich überwunden und getötet. Er wird sich immer wieder regen und<br />
sich als das eigentliche Hindernis offenbaren, zum wahren Licht und zur Heimkehr in Gott zu<br />
finden.<br />
Der andere Teil, der zu beachten ist, ist der kürzeste Weg und die beste Weise, um zum wahren<br />
Licht und zur Heimkehr in Gott zu gelangen:<br />
Sie besteht darin, daß wir unserem Ich entwerden und in Gott entsinken, uns ihm lassen, in allen<br />
Dingen nicht unserem, sondern Gottes Willen folgen, alles unmittelbar als von Gott kommend<br />
erkennen und willkommen heißen und ihm alles ohne Umwege und Vorbehalte unmittelbar wieder<br />
hinauf tragen, damit ein steter Einstrom und Rückstrom statthabe. Das ist der wahre Weg und die<br />
rechte Weise.<br />
Hier scheiden sich die Gottesfreunde und die Weltfreunde:<br />
Die letzteren beziehen alles auf sich, eignen sich alle Gaben an und tragen sie Gott nicht lauter<br />
wieder hinauf mit Liebe und Dankbarkeit in Selbstverleugnung und völliger Hingabe an Gott.<br />
Wer hingegen, wie die ersteren, im Aufgeben seines Ich und Hingegebensein an Gott am weitesten<br />
geht, der ist der wahre und vollkommenste Gottesfreund.<br />
Nun weiß die Seele wohl, daß Gott ist, schon vom natürlichen Licht der Vernunft. Wer aber und wo<br />
er ist, das ist ihr verborgen und unbekannt. Darum erhebt sich ihr Begehren und sie sucht und fragt<br />
unaufhörlich und wüßte gern etwas von diesem Gott, der ihr so verdeckt und verborgen ist.<br />
Bei diesem beharrlichen Suchen geht ihr ein Stern auf wie jener, von dem das Evangelium kündet:<br />
"Wir haben Christi Stern gesehen und sind gekommen, ihn anzubeten." (Matth. 2; 2)<br />
Dieser Stern ist nicht außen, sondern innen: er ist ein innerer Glanz, ein göttliches Licht – und<br />
dieses Licht kündet der Seele: Er ist jetzt geboren! und weist sie darauf hin, wo diese Geburt<br />
statthat: im innersten Grunde, wohin kein äußeres Licht hingelangt.<br />
Manche versuchen, mit ihrem natürlichen Licht, der Vernunft, nach diesem inneren Licht und der<br />
Geburt zu fahnden; aber sie erreichen es nicht, sondern bleiben zurück. Diese Geburt kann nicht<br />
gefunden werden, es sei denn, daß dasselbe innere Licht, das die Geburt kündet, der Seele dartut,<br />
was für eine Geburt es ist und wo sie statthat.<br />
Aber die Unweisen wollen nicht so lange warten, bis ihnen das göttliche Licht leuchtet, in dem die<br />
Geburt vollzogen und gefunden wird. Sondern sie versuchen vom Ich her gewaltsam<br />
durchzubrechen und wollen es mit dem natürlichen Lichte finden – und das ist nicht möglich. Sie<br />
müssen auf die Stunde warten, bis sie da ist.