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Johannes Tauler - DAS REICH GOTTES IN UNS - geistiges licht

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leiben.<br />

Warum? Wenn man das innere Wort vernehmen und verstehen will, muß man zuvor stille sein,<br />

schweigen und horchen. Soll Gott in uns sprechen, müssen die Dinge um uns schweigen. Soll Gott<br />

in uns wirken, müssen wir ihm in uns Raum geben, uns ihm lassen. Es kann nicht beides zugleich<br />

wirken: eines muß tun und der andere lassen.<br />

Damit meine ich nicht, daß sich junge, starke und noch unerfahrene Menschen nicht im Wirken<br />

üben sollten: sie müssen ihre inneren und äußeren Kräfte betätigen und erproben, um reifer zu<br />

werden. Sondern ich meine die reiferen, fortgeschrittenen und erfahrenen Menschen, die gern<br />

Gottes Kinder sein, ihrer Gotteskindschaft lebendig bewußt werden und aus dem Geiste leben<br />

möchten: deren Weise muß anders sein als die der noch unerfahrenen Anfänger, die noch nichts<br />

vom Wirken Gottes in ihnen wissen.<br />

Wenn wir einen Blick auf die Welt tun, sehen wir, daß die meisten Menschen Gott fern sind. Andere<br />

sind da, die das, was sie im Dienste Gottes wirken, nur unwillig, aus Furcht oder aus Zwang tun.<br />

Noch andere dienen Gott um ihrer Pfründe und des Verdienstes wegen: würden diese ihnen nicht<br />

zuteil, sie würden sich von Gott ab und ganz der Welt zuwenden.<br />

Alle diese sind Gott in Wirklichkeit fern und, mögen sie auch von Gott reden, ihrer<br />

Gotteskindschaft noch unbewußt. Denn sie meinen mit allem, was sie tun und lassen, nur sich<br />

selbst, ihr Ich, nicht Gott.<br />

Neben ihnen aber gibt es die Kinder Gottes, und zwar sind das jene, die mit allem, was sie nach<br />

ihren eigenen Weisen und Satzungen an äußeren und inneren Werken tun, Gott meinen und suchen.<br />

Und schließlich gibt es jene erwachten Kinder Gottes, von denen Paulus spricht, die sich selbst<br />

lassen, Gott durch sich wirken lassen und vom Geiste Gottes bewegt und getrieben werden. Auf<br />

zweierlei Weise geschieht, wie Augustinus sagt, dieses Treiben und Wirken:<br />

"Die eine Weise ist die, daß der Mensch zu allen Zeiten vom Geiste geordnet und bewegt wird, das<br />

heißt, daß ihn der Geist allezeit mahnt und treibt und zum rechten Leben anleitet. Das wirkt er in<br />

denen, die ihm in sich Raum geben, damit sie ihm folgen.<br />

Die andere Weise, die der Geist Gottes mit seinem Wirken in den Seinen vollzieht, ist die, daß er sie<br />

plötzlich über alle Weisen und Wege hinweg mit einem Ruck in einen viel höheren Grad, über alle<br />

ihre Werke und Vermögen hinaus zu einem höheren Ziel empor reißt. Dies sind die eigentlichen<br />

"Kinder Gottes."<br />

Allerdings wagen es viele Menschen nicht, sich so ausschließlich auf Gottes Wirken zu verlassen<br />

und sich ihm gänzlich zu überlassen; sie verlassen sich lieber auf ihr eigenes Wirken. Und merken<br />

nicht, daß sie damit das Gute, das sie wirken könnten und wirken sollten, verfälschen durch<br />

unmerklich zunehmendes Behagen an der eigenen Kraft und Wirksamkeit, durch das Wachsen ihres<br />

Selbstgenusses und Eigenwillens, ihrer Ungelassenheit, Habesucht und Ichgebundenheit.<br />

Nun mahnt sie zwar der Geist Gottes in ihnen: "Vertraue mir und folge mir, dann werde ich dich auf<br />

den rechten Weg führen!" Wie weise und gut wäre es, würden sie auf solche Mahnung hin sich<br />

lassen, den Weisungen des Geistes folgen und ihn durch sich wirken lassen.<br />

Aber leider folgen sie dem inneren Rat nicht, sondern bleiben bei ihren äußeren Weisungen und<br />

Übungen und verharren in ihrem Eigenwillen.<br />

Das möge nicht falsch verstanden werden: gute Weisen und Übungen soll man durchaus pflegen –<br />

aber nicht aus Eigenwillen und im Blick auf das Ich, sondern man soll mit ihnen auf den Willen<br />

Gottes hinzielen und lernen, ihn durch sich wirken zu lassen.<br />

Wer das unterläßt, der gleicht mit seinem ich-geborenen Eigentun einem Baum voll schön<br />

aussehender Früchte, die aber alle abfallen, bevor sie ausgereift sind, weil sie trotz ihrer schönen

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