Johannes Tauler - DAS REICH GOTTES IN UNS - geistiges licht
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schnellen Blick und leuchtet in den Grund, um daselbst Wohnung zu nehmen und zu wirken.<br />
Wenn man dieser Gegenwart Gottes inne wird, soll man ihm das Werk überlassen, selbst zu<br />
schweigender Stille werden und nichts tun, sondern Gott wirken lassen. Und wenn danach der<br />
Mensch wieder sich selbst überlassen wird und Gottes Wirken im Innern nicht mehr erkennbar ist,<br />
soll er wieder selbst wirken und seine irdischen Aufgaben mit aller Hingabe erfüllen.<br />
So soll er zu Zeiten wirken und zu Zeiten lassen, wie der Geist Gottes ihn mahnt und treibt, und<br />
sich immer dem zuwenden, von dem er fühlt, daß es ihn am stärksten zu Gott hinzieht und hinführt<br />
– sei es Wirken oder Stillesein.<br />
Dem innersten Seelengrund ist nichts so nahe wie Gott: wer ihn da sucht, der findet ihn auch. Er<br />
muß sich nur dem gegenwärtigen Gott innerlich mit allen Kräften hingeben und überlassen, dann<br />
wird ihm in der Erhebung und Erneuerung des Gemüts über alle Bilder und Formen die Freiheit des<br />
Geistes gegeben.<br />
Und wenn er ganz in diesem inneren Wirken stünde – und Gott gäbe ihm auf, die Seligkeit der<br />
Hingabe zu lassen und hinzugehen, um einem Kranken zu dienen oder einem Notleidenden zu<br />
helfen, soll er das in Frieden und Gelassenheit tun. Dann mag es geschehen, daß Gott ihm in<br />
solchem Werk gegenwärtiger ist und mehr Gutes zufügt als in der tiefsten Gottschau.<br />
Im übrigen aber sollen die edlen Menschen, wenn sie sich nachts und morgens in der Frühe in<br />
solcher Einkehr geübt haben, tagsüber in Frieden ihre Geschäfte erledigen – jeder, wie Gott es ihm<br />
fügt –, und sollen in ihren Werken achtgeben, daß darin Gottes Wille geschieht und nicht der ihre.<br />
Das sind die ,geistlich Armen', von denen die Bergpredigt spricht, die sich selbst und das Ihre<br />
lassen, sich Gott überlassen und sich von ihm leiten lassen – sei es zum Tun oder zum Nicht-Tun.<br />
Anfänger auf dem Wege nach innen brauchen viel Zeit, bis sie wesentlich werden, da sie von Natur<br />
dazu neigen, sich nach außen zu wenden; aber wenn sie sich gewöhnen, mehr und mehr sich und<br />
alle Dinge Gott zu überlassen, werden sie durch solches Lassen rascher voranschreiten als durch ihr<br />
Tun.<br />
Es ist unglaublich, wie rasch oft das innere Wachstum vor sich geht: mit jedem Gedanken, jedem<br />
Wort und Werk, wie klein es auch sei, wenn sie damit nur auf Gott abzielen. Solchen Menschen ist<br />
es dienlich, wenn sie lange leben; denn ihr Wachsen und Neuwerden geht unaufhörlich weiter, wenn<br />
sie nur auf ihrem Wege nicht stehen bleiben, sondern unentwegt weiterschreiten.<br />
Zumeist wissen solche Menschen es gar nicht, daß sie so gut daran sind; deshalb leben sie<br />
bescheiden und einfach dahin. Gott verbirgt ihnen ihr Zunehmen, damit das Ich sich nicht aufbläht<br />
und alles verdirbt. Je bescheidener und williger, desto tiefer sinkt ihr Geist in den Grund.<br />
Nun mag es sein, daß ein solcher Mensch von denen, die in der Welt viel gelten und großtun und<br />
gerne weise und heilig scheinen, gescholten und zurechtgewiesen wird. Sie werden ihm sagen, er<br />
habe Unrecht; sie hätten mehr gelesen und wüßten besser Bescheid.<br />
Alsdann handelt er recht, wenn er sich läßt, zu ihren Reden gelassen schweigt und inwendig spricht:<br />
"Gott, Du weißt, ich habe nichts als Dich im Sinn!" Dann wird er von innen her erneuert und zieht<br />
den neuen Menschen an, der nach Gott geschaffen ist in Gerechtigkeit und Heiligkeit.<br />
Daß wir uns alle so in Gelassenheit Gott zuwenden, aus dem Geiste Gottes erneuert und mit Gott<br />
geeint werden, dazu helfe uns Gott!