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Nietzsche: Jenseits von Gut und Bose / Zur Genealogie der Moral

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den Zweck, die Erwartung, welche sich an die Ausführung<br />

solcher Prozeduren knüpft. Hierbei wird ohne<br />

Weiteres vorausgesetzt, per analogiam, gemäss dem<br />

eben entwickelten Hauptgesichtspunkte <strong>der</strong> historischen<br />

Methodik, dass die Prozedur selbst etwas Älteres, Früheres<br />

als ihre Benützung zur Strafe sein wird, dass<br />

letztere erst in die (längst vorhandene, aber in einem<br />

an<strong>der</strong>en Sinne übliche)<br />

Prozedur hineingelegt, hineingedeutet<br />

worden ist, kurz, dass es nicht so steht, wie<br />

unsre naiven <strong>Moral</strong>- <strong>und</strong> Rechtsgenealogen bisher annahmen,<br />

welche sich allesammt die Prozedur erf<strong>und</strong>en<br />

dachten zum Zweck <strong>der</strong> Strafe, so wie man sich ehemals<br />

die Hand erf<strong>und</strong>en dachte zum Zweck des Greifens.<br />

"Was nun jenes andre Element an <strong>der</strong> Strafe<br />

betrifft, das flüssige, ihren „Sinn", so stellt in einem<br />

sehr späten Zustande <strong>der</strong> Cultur (zum Beispiel im heutigen<br />

Europa) <strong>der</strong> Begriff „Strafe" in <strong>der</strong> That gar<br />

nicht mehr Einen Sinn vor, son<strong>der</strong>n eine ganze Synthesis<br />

<strong>von</strong> „Sinnen"; die bisherige Geschichte <strong>der</strong> Strafe<br />

überhaupt, die Geschichte ihrer Ausnützung zu den<br />

verschiedensten Zwecken, krystallisirt sich zuletzt in<br />

eine Art <strong>von</strong> Einheit, welche schwer löslich, schwer zu<br />

analysiren <strong>und</strong>, was man hervorheben muss, ganz <strong>und</strong><br />

gar <strong>und</strong>efinirbar ist. (Es ist heute unmöglich, bestimmt<br />

zu sagen, warum eigentlich gestraft wird: alle<br />

Begriffe, in denen sich ein ganzer Prozess semiotisch<br />

zusammenfasst, entziehn sich <strong>der</strong> Definition; definirbar<br />

ist nur Das, was keine Geschichte hat.) In einem früheren<br />

Stadium erscheint dagegen jene Synthesis <strong>von</strong><br />

„Sinnen" noch löslicher, auch noch verschiebbarer; man<br />

kann noch wahrnehmen, wie für jeden einzelnen Fall<br />

die Elemente <strong>der</strong> Synthesis ilire Werthigkeit verän<strong>der</strong>n<br />

<strong>und</strong> sich demgemäss umordnen, so dass bald dies, bald

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