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Nietzsche: Jenseits von Gut und Bose / Zur Genealogie der Moral

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— 421 —<br />

als irgend welche Medizinmänner <strong>und</strong> „Heilande". Wir<br />

vergewaltigen uns jetzt selbst, es ist kein Zweifel, wir<br />

Nussknacker <strong>der</strong> Seele, wir Fragenden <strong>und</strong> Frag^würdigen,<br />

wie als ob Leben nichts Andres sei, als Nüsseknacken;<br />

ebendamit müssen wir nothwendig täglich immer noch<br />

fragwürdiger, würdiger zu fragen werden, ebendamit<br />

vielleicht auch würdiger — zu leben? . . . Alle guten<br />

Dinge waren ehemals schlimme Dinge; aus je<strong>der</strong> Erbsünde<br />

ist eine Erbtugend geworden. Die Ehe zum<br />

Beispiel schien lange eine Versündigung am Rechte <strong>der</strong><br />

Gemeinde; man hat einst Busse dafür gezahlt, so unbescheiden<br />

zu sein <strong>und</strong> sich<br />

ein Weib für sich anzuraaassen<br />

(dahin gehört zum Beispiel das jtcs primae noctis, heute<br />

noch in Cambodja das Vorrecht <strong>der</strong> Priester, dieser Bewahrer<br />

„alter guter Sitten"). Die sanften wohlwollenden<br />

nachgiebigen mitleidigen Gefühle — nachgerade so hoch<br />

im Werthe, dass sie fast „die Werthe an sich" sind —<br />

hatten die längste Zeit gerade die Selbstverachtung<br />

gegen sich: man schämte sich <strong>der</strong> MUde, wie man sich<br />

heute <strong>der</strong> Härte schämt (vergl. ,<strong>Jenseits</strong> <strong>von</strong> <strong>Gut</strong> <strong>und</strong><br />

Böse" S. 240)- Die Unterwerfung unter das Recht: —<br />

oh mit was für Gewissens-Wi<strong>der</strong>stände haben die vornehmen<br />

Geschlechter überall auf Erden ihrerseits Verzicht<br />

auf Vendetta geleistet <strong>und</strong> dem Recht über sich Gewalt<br />

eingeräumt! Das „Recht" war lange ein vetitum, ein<br />

Frevel, eine Neuerung; es trat mit Gewalt auf, als<br />

Gewalt, <strong>der</strong> man sich nur mit Scham vor sich selber<br />

fügte. Je<strong>der</strong> kleinste Schritt auf <strong>der</strong> Erde ist ehedem<br />

mit geistigen <strong>und</strong> körperlichen Martern erstritten worden:<br />

dieser ganze Gesichtspunkt, „dass nicht nur das Vorwärtsschreiten,<br />

neini das Schreiten, die Bewegung, die Verän<strong>der</strong>ung<br />

ihre unzähligen Märtyrer nöthig gehabt hat",<br />

klingt gerade heute uns so fremd, — ich habe ihn in

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