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Nietzsche: Jenseits von Gut und Bose / Zur Genealogie der Moral

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~ 78 -<br />

lohner". Insgleichen sein „freier Wüle": er hört nicht, —<br />

<strong>und</strong> wenn er hörte, wüsste er trotzdem nicht zu helfen.<br />

Das Schlimmste ist: er scheint unfähig, sich deutlich mitzutheilen:<br />

ist er unklar? — Dies ist es, was ich, als Ursachen<br />

für den Nie<strong>der</strong>gang des europäischen Theismus,<br />

aus vielerlei Gesprächen, fragend, hinhorchend, ausfindig<br />

gemacht habe; es scheint mir, dass zwar <strong>der</strong> religiöse<br />

Instinkt mächtig im Wachsen ist, — dass er aber gerade<br />

die theistische Befriedigxmg mit tiefem Misstrauen ablehnt<br />

54.<br />

Was thut denn im Gr<strong>und</strong>e die<br />

ganze neuere Philosophie?<br />

Seit Descartes — <strong>und</strong> zwar mehr aus Trotz<br />

gegen ihn als auf Gr<strong>und</strong> seines Vorgangs — macht man<br />

seitens aller Philosophen ein Attentat auf den alten Seelen-<br />

Begriff, unter dem Anschein einer Kritik des Subjekt<strong>und</strong><br />

Prädikat-Begriffe — das heisst: ein Attentat auf die<br />

Gr<strong>und</strong>voraussetzung <strong>der</strong> christlichen Lehre. Die neuere<br />

Philosophie, als eine erkenntnisstheoretische Skepsis, ist,<br />

versteckt o<strong>der</strong> offen, antichristlich: obschon, für feinere<br />

Ohren gesagt, keineswegs antireligiös. Ehemals nämlich<br />

glaubte man an „die Seele",<br />

wie man an die Grammatik<br />

<strong>und</strong> das grammatische Subjekt glaubte: man sagte, „Ich"<br />

ist Bedingung, „denke" ist<br />

Prädikat <strong>und</strong> bedingt — Denken<br />

ist eine Thätigkeit, zu <strong>der</strong> ein Subjekt als Ursache<br />

gedacht werden muss. Nun versuchte man, mit einer<br />

bew<strong>und</strong>erungswürdigen Zähigkeit <strong>und</strong> List,<br />

ob man nicht<br />

aus diesem Netze heraus könne, — ob nicht vielleicht<br />

das Umgekehrte wahr sei: „denke" Bedingung, ,Jch" bedingt;<br />

„Ich" also erst eine Synthese, welche durch das<br />

Denken selbst gemacht wird. Kant wollte im Gr<strong>und</strong>e<br />

beweisen, dass vom Subjekt aus das Subjekt nicht be-

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