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Nietzsche: Jenseits von Gut und Bose / Zur Genealogie der Moral

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— 452 _<br />

demzufolge <strong>der</strong> Verdruss des Einzelnen an sich durch<br />

seine Lust am Gedeihen <strong>der</strong> Gemeinde übertäubt wird<br />

— das sind, nach mo<strong>der</strong>nem Maasse gemessen, seine unschuldigen<br />

Mittel im Kampfe mit <strong>der</strong> Unlust: wenden<br />

wir uns jetzt zu den interessanteren, den „schuldigen".<br />

Bei ihnen allen handelt es sich um Eins : um irgend eine<br />

Ausschweifung des Gefühls, — diese gegen die<br />

dumpfe lähmende lange Schmerzhaftigkeit als wirksamstes<br />

Mittel <strong>der</strong> Betäubung benutzt; weshalb die priesterliche<br />

Erfindsamkeit im Ausdenken dieser Einen Frage geradezu<br />

unerschöpflich gewesen ist: „wodurch erzielt man eine<br />

Ausschweifung des Gefühls ? " . . . Das klingt hart : es<br />

liegt auf <strong>der</strong> Hand, dass es lieblicher klänge <strong>und</strong> besser<br />

tdelleicht zu Ohren gienge, wenn ich etwa sagte „<strong>der</strong><br />

asketische Priester hat sich je<strong>der</strong>zeit<br />

die Begeisterung<br />

zu Nutze gemacht, die in allen starken Affekten liegt".<br />

Aber wozu die verweichlichten Ohren unsrer mo<strong>der</strong>nen<br />

Zärtlinge noch streicheln? Wozu unsrerseits ihrer<br />

Tartüfferie <strong>der</strong> Worte auch nur einen Schritt breit nachgeben?<br />

Für uns Psychologen läge darin bereits eine<br />

TartüfFerie <strong>der</strong> That, abgesehn da<strong>von</strong>, dass es uns<br />

Ekel machen würde.<br />

Ein Psychologe nämlich hat heute<br />

darin, wenn irgend worin, seinen guten Geschmack<br />

(— Andre mögen sagen: seine Rechtschaffenheit), dass<br />

er <strong>der</strong> schändlich vermoralisirten Sprechweise wi<strong>der</strong>strebt,<br />

mit <strong>der</strong> nachgerade alles mo<strong>der</strong>ne Urtheilen über<br />

Mensch <strong>und</strong> Ding angeschleimt ist Denn man täusche<br />

sich hierüber nicht: was das eigentlichste Merkmal modemer<br />

Seelen, modemer Bücher ausmacht, das ist nicht<br />

die Lüge, son<strong>der</strong>n die eingefleischte Unschuld in <strong>der</strong><br />

moralistischen Verlogenheit Diese „Unschuld" überall<br />

wie<strong>der</strong> entdecken müssen — das macht vielleicht unser<br />

wi<strong>der</strong>lichstes Stück Arbeit aus, an all <strong>der</strong> an sich nicht

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