Selbstverwaltung
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Dies hat zur Folge, dass auch in der Literatur und empirischen Untersuchungen der Bereich der<br />
Kapitalbeteiligungen und seine formal rechtlichen Konsequenzen – unterschiedliche Mitentscheidungsrechte<br />
– kaum Beachtung erhält. Unabhängig von kapitalrechtlichen Implikationen<br />
wird von einer grundsätzlichen Gleichstellung in den Betrieben ausgegangen; hingegen wird<br />
schon bei nicht absolut egalitären Partizipationsregelungen – insbesondere bei Formen vertikaler<br />
Arbeitsteilung bzw. abgestufter Entscheidungsbeteiligung – in den meisten deutschen Untersuchungen<br />
ein Betrieb als nicht selbstverwaltet aufgefasst.<br />
Bei der Untersuchung in der Schweiz sind dagegen die formalen Einflussmöglichkeiten aufgrund<br />
von Kapitalanteilen auch insofern interessant, als unter den <strong>Selbstverwaltung</strong>sbetrieben zwei<br />
unterschiedliche Genossenschaftstypen verbreitet sind: Neben jener genossenschaftlichen Form,<br />
deren Mitglieder ausschliesslich die tatsächlich im Betrieb Mitarbeitenden sind, ist als Variante<br />
auch die „Publikumsgenossenschaft“ verbreitet, in der neben den im Betrieb Arbeitenden auch<br />
weitere Personen Kapitalanteile und damit gewisse Mitbestimmungsrechte besitzen. Formal<br />
juristisch gibt es so neben der Belegschaft offiziell eine zweite Gruppe von Personen mit Einflussmöglichkeiten;<br />
dies stellt eine Differenzierung der ausschliesslichen und umfassenden Partizipationsrechte<br />
für die Belegschaft dar. Trotz dieser Abweichung vom strengen Identitätsprinzip<br />
– alle Mitglieder sind sowohl an Kapital, Arbeit und Management beteiligt – gelten kollektiv<br />
geführte Publikumsgenossenschaften in der Schweiz unzweifelhaft als selbstverwaltete Betriebe.<br />
Die Aufnahme von Passivmitgliedern hat in der Praxis zahlreiche Vorteile: Neben der meist<br />
zinslosen Kapitalbeschaffung und der breiteren Abstützung des unternehmerischen Risikos birgt<br />
diese Möglichkeit ein Potential immaterieller Unterstützung in verschiedenen Formen. Genauso<br />
ist es in andern Rechtsformen möglich, neben den aktiven Vollmitglieder Passivmitglieder in der<br />
juristischen Körperschaft zu haben, allerdings muss in diesen Fällen nach den Grundprinzipien<br />
für <strong>Selbstverwaltung</strong> ein innerbetriebliches Pro-Kopf-Stimmrecht gewährleistet sein und der<br />
Einfluss von externen Kapitalanteilen auf die Betriebsführung eingeschränkt werden.<br />
Empirisch ist in der Schweiz seit den 80er Jahren eine Pluralisierung der Erscheinungsformen<br />
und Organisationsstrukturen festzustellen; das Selbstverständnis von „<strong>Selbstverwaltung</strong>“ hat<br />
sich in den Betrieben im Verlauf der Zeit gewandelt. Dies kommt sowohl in nicht wissenschaftlicher<br />
Literatur als auch in den wenigen akademischen Untersuchungen zum Ausdruck. Die in<br />
vielen Betrieben beobachtete Entwicklung von fundamental basisdemokratischen, absolut egalitären<br />
Strukturen zu funktionalen Differenzierungen und abgestuften Partizipationskonzepten<br />
führte in und zwischen den Betrieben – sowie in weiteren, der Idee der <strong>Selbstverwaltung</strong> nahe<br />
stehenden Kreisen – zu intensiven, meist kontroversen Diskussionen, die allerdings im Verlauf<br />
der 90er Jahre wieder abflauten. Zentral war dabei die Frage, inwieweit Abstriche an der Ideologie<br />
bzw. pragmatische Anpassungen sinnvoll, vertretbar oder unumgänglich sind. In diesem<br />
Zusammenhang stand auch zur Diskussion, welche Regelungen und Zielsetzungen akzeptabel<br />
sind, damit (noch) von einem „selbstverwalteten“ Betrieb gesprochen werden kann.<br />
Aus soziologischer Sicht geht es nicht solche um Fragen grundsätzlicher Legitimation. Mit der<br />
vorliegenden Arbeit soll vielmehr untersucht werden, welche formalen Regelungen von Partizi-