Selbstverwaltung
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nigen Tätigkeiten, die nicht über den Arbeitsmarkt vermittelt werden – zu teilen. Nach ihrer<br />
Meinung werden Tätigkeiten innerhalb der Alternativökonomie im Gegensatz zu herkömmlichen<br />
Tätigkeiten nicht über den Marktweg aufgenommen und sind deshalb dem informellen Sektor<br />
zuzuordnen. Zudem unterscheiden sich selbstverwaltete Betriebe von herkömmlichen Unternehmen<br />
in der kollektiven Ausübung der Unternehmenstätigkeit, „kollektiv in dem Sinne, dass<br />
dem Unternehmer kein Arbeitnehmer gegenübersteht“ (Berger et al. 1985: 22).<br />
Nutzinger/Teichert (1986) dagegen siedeln die alternativ-ökonomischen Betriebe im Zwischenbereich<br />
von informellem und formellem, nämlich dem „intermediären“ Sektor an, weil die Betriebe<br />
ihrer Ansicht nach Bezüge zu beiden Sektoren aufweisen. Einerseits produzieren auch<br />
alternative Betriebe für den kapitalistischen Markt; sie stehen in Beziehung zu den Unternehmen<br />
des formellen Sektors und setzen ihre produzierten Güter zu einem grossen Teil wieder an die<br />
Beschäftigten des formellen Sektors ab. Andererseits kennzeichnen alternativ-ökonomische Betriebe<br />
Organisationsprinzipien, die eine relative Nähe zum informellen Sektor aufweisen.<br />
Eine ganz andere Auffassung vertritt Kück (1985: 19f. und 1989): Sie ordnet die selbstverwalteten<br />
Betriebe eindeutig dem formellen Sektor zu. Ihrer Argumentation zufolge arbeiten diese Betriebe<br />
eindeutig marktbezogen; sie beziehen die für die Produktion notwendigen Vorleistungen<br />
am Markt und setzen ihre Güter auch wieder am jeweils relevanten Teilmarkt ab.<br />
Aufgrund des oben Gezeigten kann die Einschätzung von Berger (1986: 12) bestätigt werden,<br />
der feststellt, dass im Bereich der alternativen Ökonomie die „definitorischen Festlegungen in<br />
das Belieben des Forschers gestellt“ sind.<br />
3.4.3. Selbstverwaltete Betriebe als Renaissance der<br />
traditionellen Produktivgenossenschaften<br />
Einige Vertreter und Vertreterinnen der Genossenschaftslehre gehen davon aus, dass es sich bei<br />
den heutigen selbstverwalteten Betrieben, um eine aktualisierte Form der traditionellen Produktivgenossenschaften<br />
handelt 41 . In der aktuellen Diskussion um selbstverwaltete Betriebe werden<br />
demnach auch die gleichen Punkte und Fragen erörtert, die schon hundert Jahre früher angeführt<br />
wurden (vgl. Kapitel 3.2.2.).<br />
In Bezug auf die öffentliche Diskussion der Produktivgenossenschaften wie der selbstverwalteten<br />
Betriebe finden sich auffällige Ähnlichkeiten: Flieger (1984) betont, dass sowohl Produktivgenossenschaften<br />
als auch selbstverwaltete Betriebe innerhalb der Gesellschaft eine Modellfunktion<br />
und Vorreiterrolle hatten und haben. Seiner Meinung nach haben die Produktivgenossenschaften<br />
für viele soziale Errungenschaften entscheidende Impulse gegeben. Ein vergleichbarer<br />
Prozess lässt sich auch bei den erwerbswirtschaftlichen Alternativprojekten oder selbstverwalteten<br />
Betrieben hinsichtlich demokratischer Gestaltung der Arbeitsorganisation oder hinsichtlich<br />
ökologischer Anliegen aufzeigen. Schon Mitte des 19. Jh. hatten Vertreter aller politischen Richtungen<br />
Produktivgenossenschaften als ein Mittel zur „Lösung der sozialen Frage“ diskutiert.<br />
Ähnlich werden in der politischen Diskussion der 80er Jahre selbstverwaltete Betriebe von fast<br />
allen politischen Parteien positiv bewertet (vgl. Kapitel 3.4.1.). Auffallend ist ausserdem, dass<br />
41 In diesem Zusammenhang ist unerheblich, dass die wenigsten selbstverwalteten Betriebe in Deutschland nicht die<br />
genossenschaftliche Rechtsform gewählt haben. Gerade von genossenschaftstheoretischer Seite wird die Politik der<br />
Genossenschaftsverbände, welche die Wahl der Rechtsform Genossenschaft häufig verunmöglichen, bedauert.