14.05.2015 Aufrufe

Selbstverwaltung

Selbstverwaltung

Selbstverwaltung

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

76<br />

Auf der anderen Seite wird in den Beiträgen deutlich, dass viele selbstverwaltete Betriebe – oft<br />

mit modifizierten Strukturen – am Markt gut überleben und im Laufe der Zeit sogar expandieren<br />

konnten. Es zeigt sich, dass das wirtschaftliche Überleben eines selbstverwalteten Betriebs zum<br />

einen mit der allgemeinen wirtschaftlichen Lage, zum andern mit der Bereitschaft des Kollektivs,<br />

die betriebliche Organisation den betriebswirtschaftlichen Erfordernissen anzupassen, zusammenhing.<br />

Für viele selbstverwaltet Arbeitende war klar: „Wir müssen genau so effizient<br />

wirtschaften wie ein anderer Betrieb“ (Walter 1999: 17). Gut funktionierende selbstverwaltete<br />

Betriebe konnten ausserdem oft flexibler auf marktwirtschaftliche Erfordernisse reagieren als<br />

konventionell geführte Betriebe; die Beschäftigten waren in wirtschaftlich schwierigen Zeiten<br />

eher gewillt, ihr individuelles Arbeitspensum dem betrieblichen Bedarf anzupassen oder Lohnkürzungen<br />

vorzunehmen.<br />

Schon Ende der 80er Jahre hat sich gezeigt, dass eine Abkehr von den ursprünglichen Ansprüchen<br />

unumgänglich für das Überleben der einzelnen Betriebe war. Die Situation in den 90er Jahren<br />

zeichnet sich dementsprechend durch eine gewisse Pragmatik aus. Im Zentrum der geführten<br />

Diskussion standen nicht mehr die ideologischen Ansprüche, respektive der Anspruch auf deren<br />

Umsetzung, sondern realitätsnahe Lösungen der betrieblichen Probleme. So bot das Netzwerk<br />

für <strong>Selbstverwaltung</strong> Seminare in Betriebsführung, Konfliktlösung im selbstverwalteten<br />

Betrieb und zu ökonomischen Belangen an. Betriebsberater warben in den einschlägigen Publikationen<br />

für eine betriebswirtschaftliche Analyse der Betriebsstrukturen.<br />

Kündigungen von Beschäftigten und das Prinzip „gleicher Lohn für alle“ haben ihren Status als<br />

„heilige Kühe der <strong>Selbstverwaltung</strong>“ verloren. Differenzierte innerbetriebliche Arbeitsteilung und<br />

die Einführung von unterschiedlichen Status der Mitglieder innerhalb des Betriebs sind üblich<br />

geworden. Fachliche Kompetenz und Ausbildung sind auch für selbstverwaltet Arbeitende unabdingbar<br />

geworden. Generell steht – neben einem guten Betriebsklima – die Professionalität<br />

und Effizienz des Betriebs im Zentrum. Diese hohe Professionalität spiegelt sich auch in Porträts<br />

von selbstverwalteten Betrieben in Zeitungsartikeln wider: So wird selbstverwalteten Restaurants<br />

im Allgemeinen eine gute Küche attestiert, die sich an ökologischen Kriterien orientiert<br />

– so etwa die Verwendung lokaler umwelt- und artgerechter Produkte – und gesund ist (vgl.<br />

Spörri 1998, Walter 1999, Aeschimann 1997). Das selbstverwaltete Solothurner Hotel „Baseltor“<br />

und das Mogelsberger Gasthaus „Rössli“ glänzen sogar mit gleich vielen Gault Millau-<br />

Punkten wie die konventionell geführten „Grand Hotel Dolder“ oder „Kronenhalle“ in Zürich.<br />

„Der Chörnlipicker-Groove mit pampigem Vollkornreis und handgestricktem Service (‚Hei zäme,<br />

was wänder?‘) ist passé“ (Spörri 1998: 63). Hohe Professionalität wird auch Handwerkskollektiven,<br />

selbstverwalteten Buchhandlungen, Umweltberatungen u.a. attestiert. Viele dieser<br />

Betriebe haben sich auf umweltfreundliche Produkte oder Technologien spezialisiert und sich in<br />

diesen Bereichen einen Namen gemacht. Ebenso wird mit den Porträts deutlich, dass selbstverwaltete<br />

Betriebe nicht mehr als „alternatives Ghetto“ verstanden werden.<br />

„Vor nicht allzu langer Zeit galten Alternativbeizen als subversive Zirkel und wurden von<br />

der Bundespolizei überwacht. Wer zum Beispiel Anfang der achtziger Jahre im ‚Rössli‘<br />

Mogelsberg übernachtete und zu diesem Zweck den obligatorischen Meldezettel ausfüllte,<br />

dessen Name meldete die St. Galler Kantonspolizei umgehend nach Bern weiter. Doch die<br />

Zeiten haben sich geändert. Mogelsberg gilt heute auch unter Honoratioren der FDP oder

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!