Selbstverwaltung
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Auf der anderen Seite wird in den Beiträgen deutlich, dass viele selbstverwaltete Betriebe – oft<br />
mit modifizierten Strukturen – am Markt gut überleben und im Laufe der Zeit sogar expandieren<br />
konnten. Es zeigt sich, dass das wirtschaftliche Überleben eines selbstverwalteten Betriebs zum<br />
einen mit der allgemeinen wirtschaftlichen Lage, zum andern mit der Bereitschaft des Kollektivs,<br />
die betriebliche Organisation den betriebswirtschaftlichen Erfordernissen anzupassen, zusammenhing.<br />
Für viele selbstverwaltet Arbeitende war klar: „Wir müssen genau so effizient<br />
wirtschaften wie ein anderer Betrieb“ (Walter 1999: 17). Gut funktionierende selbstverwaltete<br />
Betriebe konnten ausserdem oft flexibler auf marktwirtschaftliche Erfordernisse reagieren als<br />
konventionell geführte Betriebe; die Beschäftigten waren in wirtschaftlich schwierigen Zeiten<br />
eher gewillt, ihr individuelles Arbeitspensum dem betrieblichen Bedarf anzupassen oder Lohnkürzungen<br />
vorzunehmen.<br />
Schon Ende der 80er Jahre hat sich gezeigt, dass eine Abkehr von den ursprünglichen Ansprüchen<br />
unumgänglich für das Überleben der einzelnen Betriebe war. Die Situation in den 90er Jahren<br />
zeichnet sich dementsprechend durch eine gewisse Pragmatik aus. Im Zentrum der geführten<br />
Diskussion standen nicht mehr die ideologischen Ansprüche, respektive der Anspruch auf deren<br />
Umsetzung, sondern realitätsnahe Lösungen der betrieblichen Probleme. So bot das Netzwerk<br />
für <strong>Selbstverwaltung</strong> Seminare in Betriebsführung, Konfliktlösung im selbstverwalteten<br />
Betrieb und zu ökonomischen Belangen an. Betriebsberater warben in den einschlägigen Publikationen<br />
für eine betriebswirtschaftliche Analyse der Betriebsstrukturen.<br />
Kündigungen von Beschäftigten und das Prinzip „gleicher Lohn für alle“ haben ihren Status als<br />
„heilige Kühe der <strong>Selbstverwaltung</strong>“ verloren. Differenzierte innerbetriebliche Arbeitsteilung und<br />
die Einführung von unterschiedlichen Status der Mitglieder innerhalb des Betriebs sind üblich<br />
geworden. Fachliche Kompetenz und Ausbildung sind auch für selbstverwaltet Arbeitende unabdingbar<br />
geworden. Generell steht – neben einem guten Betriebsklima – die Professionalität<br />
und Effizienz des Betriebs im Zentrum. Diese hohe Professionalität spiegelt sich auch in Porträts<br />
von selbstverwalteten Betrieben in Zeitungsartikeln wider: So wird selbstverwalteten Restaurants<br />
im Allgemeinen eine gute Küche attestiert, die sich an ökologischen Kriterien orientiert<br />
– so etwa die Verwendung lokaler umwelt- und artgerechter Produkte – und gesund ist (vgl.<br />
Spörri 1998, Walter 1999, Aeschimann 1997). Das selbstverwaltete Solothurner Hotel „Baseltor“<br />
und das Mogelsberger Gasthaus „Rössli“ glänzen sogar mit gleich vielen Gault Millau-<br />
Punkten wie die konventionell geführten „Grand Hotel Dolder“ oder „Kronenhalle“ in Zürich.<br />
„Der Chörnlipicker-Groove mit pampigem Vollkornreis und handgestricktem Service (‚Hei zäme,<br />
was wänder?‘) ist passé“ (Spörri 1998: 63). Hohe Professionalität wird auch Handwerkskollektiven,<br />
selbstverwalteten Buchhandlungen, Umweltberatungen u.a. attestiert. Viele dieser<br />
Betriebe haben sich auf umweltfreundliche Produkte oder Technologien spezialisiert und sich in<br />
diesen Bereichen einen Namen gemacht. Ebenso wird mit den Porträts deutlich, dass selbstverwaltete<br />
Betriebe nicht mehr als „alternatives Ghetto“ verstanden werden.<br />
„Vor nicht allzu langer Zeit galten Alternativbeizen als subversive Zirkel und wurden von<br />
der Bundespolizei überwacht. Wer zum Beispiel Anfang der achtziger Jahre im ‚Rössli‘<br />
Mogelsberg übernachtete und zu diesem Zweck den obligatorischen Meldezettel ausfüllte,<br />
dessen Name meldete die St. Galler Kantonspolizei umgehend nach Bern weiter. Doch die<br />
Zeiten haben sich geändert. Mogelsberg gilt heute auch unter Honoratioren der FDP oder