Selbstverwaltung
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3.4.2.3. Das Verhältnis der Alternativökonomie zur konventionellen<br />
marktwirtschaftlichen Ökonomie<br />
In Bezug auf das Verhältnis von alternativer und marktwirtschaftlicher Ökonomie werden vor<br />
allem drei Aspekte diskutiert: erstens die langfristige Perspektive der alternativen Ökonomie,<br />
zweitens ihre (Un-)Abhängigkeit von der marktwirtschaftlichen Ökonomie und drittens die<br />
Frage, ob die Alternativökonomie, insbesondere die erwerbsorientierten Betriebe, dem formellen<br />
Sektor oder dem informellen Wirtschaftssektor zugeordnet werden können.<br />
1. Die langfristige Verortung der alternativen Ökonomie im Verhältnis zur gesamtgesellschaftlichen<br />
Ökonomie reicht von der Vorstellung, entsprechende Betriebe seien „Inseln der Zukunft“<br />
und die alternative Ökonomie werde durch allmähliches Wachstum gesamtgesellschaftlich hegemonial,<br />
bis zur dauerhaften Vorverurteilung als „blosse Nischenökonomie“.<br />
2. Strittig ist zudem, inwieweit die alternative Ökonomie von der formellen Ökonomie wirtschaftlich<br />
unabhängig ist. Während beispielsweise Huber (1981: 44ff.) noch feststellt, dass Alternativprojekte<br />
von den Überschüssen und der Versorgung durch das System abhängen, ist<br />
aufgrund neuerer empirischer Untersuchungen, mindestens für alternativ-ökonomische Betriebe,<br />
die Abhängigkeit von staatlicher Versorgung kleiner als angenommen (vgl. Kapitel 3.5.). In diesem<br />
Zusammenhang wird zum einen auf den „Doppelcharakter“, zum andern auf die „Systemgrenzen“<br />
der alternativen Ökonomie hingewiesen. Von Doppelcharakter wird gesprochen, weil<br />
die alternative Ökonomie zwar an die gesamtgesellschaftliche Ökonomie gebunden ist, aber in<br />
Einzelheiten über sie hinausweist (vgl. Schwendter 1979: 124ff. und Schwendter 1989). Die<br />
Systemgrenzen der alternativen Ökonomie liegen zum einen vor allem darin, dass ein geschlossener<br />
Kreislauf alternativer Ökonomie nicht möglich ist, da sie weder über eigene Bodenschätze<br />
verfügt, noch alle Produktionsmittel subkulturell produziert werden können. Zum andern stehen<br />
der alternativen Ökonomie weder Betriebsmittel (konstantes Kapital) noch Arbeitskraft (variables<br />
Kapital) in genügendem Ausmass zu Verfügung. Ausserdem kann auch die alternative<br />
Ökonomie der Bindung an den Tauschwert der Ware nicht entgehen.<br />
3. Eingehend diskutiert wird auch die Frage, ob die Alternativökonomie, d.h. in der Regel erwerbs-<br />
und marktorientierte Betriebe 38 , dem formellen oder dem informellen Wirtschaftssektor<br />
zugerechnet werden müssen 39 . Gretschmann (1986) nimmt an, dass alternativ-ökonomische Betriebe<br />
aufgrund ihrer hohen Autonomie, ihrer Selbständigkeit und der fehlenden staatlichen Erfasstheit<br />
nicht Teil der regulären Ökonomie seien und damit der Schattenwirtschaft 40 zugeordnet<br />
werden müssen. Auch Berger et al. (1985) zählen die selbstverwalteten Betriebe zur informellen<br />
Ökonomie. Zentrales Abgrenzungskriterium ist in ihrem Verständnis der Arbeitsmarkt:<br />
Sie schlagen vor, die Wirtschaft in eine formelle Hälfte – alle wirtschaftlichen Tätigkeiten, zu<br />
denen ein Individuum Zutritt über den Arbeitsmarkt erhält – und eine informelle Hälfte – dieje-<br />
38 Während Kück (1985) und Berger (1985) sich explizit auf selbstverwaltete resp. alternativ-ökonomische Betriebe<br />
beziehen, gelten die Aussagen von Gretschmann (1986) und Nutzinger/Teichert (1986) sowohl für die gesamte „Alternativökonomie“<br />
als auch für erwerbs- und marktorientierte selbstverwaltete Betriebe.<br />
39 Im Allgemeinen wird von einer Zweiteilung der Gesamtwirtschaft in einen formellen, sichtbaren (Produktions-)-<br />
Sektor und in einen informellen, unsichtbaren (Reproduktions-) Sektorausgegangen.<br />
40 Die Wirtschaftswissenschaften erfassen unter dem Terminus ‚Schattenwirtschaft‘ eine breite Palette von sehr unterschiedlichen<br />
Wirtschaftsaktivitäten. „Als gemeinsames Kennzeichen gilt den ‚mainstream economics‘ die Nichterfassung<br />
oder – abgeschwächter – die nicht angemessene oder nicht ausreichende Erfassung dieser Produktionsaktivitäten<br />
in der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung oder den Dateien der Finanzbehörden oder Gewerbeaufsichtsämter“<br />
(Gretschmann 1986: 63).