Selbstverwaltung
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„Zunächst erscheint ‚alternative Ökonomie‘ als Reproduktionsbasis subkultureller Individuen,<br />
im günstigeren Fall mit dem Zweck, Gebrauchswert für subkulturelle (...) Arbeit zur<br />
Verfügung zu stellen.“ (Schwendter 1975: 161)<br />
Alternative Ökonomie beginnt nach Schwendter (1989: 1) in ihrer Keimform schon dort, wo<br />
alternative Subkulturen, um ihre Normen und Werte zu realisieren, Räume anmieten, Informationen<br />
versenden und Infrastrukturen herstellen. Eine „Steigerung“ erfährt die alternative Ökonomie,<br />
wenn die in den Subkulturen Aktiven ihren Lebensunterhalt innerhalb der Alternativökonomie<br />
verdienen können, d.h. nicht gezwungen sind, das Feld dieser Aktivitäten zu verlassen.<br />
27<br />
Im Kontext der neuen sozialen Bewegungen wird alternative Ökonomie als „die Gesamtheit<br />
ökonomischer Organisationseinheiten verstanden, die sich im Entwicklungsprozess neuer sozialer<br />
Bewegungen ausdifferenzieren“ (Beywl 1987: 187). Alternativökonomie wird in diesem<br />
Zusammenhang oft mit dem Begriff „Alternativbewegung“ gleichgesetzt (vgl. Kapitel 3.4.4.).<br />
Der Begriff „alternative Ökonomie“ ist demzufolge sehr weit gefasst; ihm werden nicht nur die<br />
in der vorliegenden Arbeit interessierenden selbstverwalteten Betriebe, sondern auch soziale<br />
und kulturelle Projekte zugeordnet 32 . In der Diskussion um alternative Ökonomie ist die Bezeichnung<br />
für die unterschiedlichen Projekttypen sehr uneinheitlich; generell wird aber zwischen<br />
nicht erwerbsorientierten und erwerbsorientierten Projekten unterschieden. Viele Autorinnen<br />
und Autoren knüpfen an die Terminologie Hubers (1979b: 111ff.) an, der die Projekttypen<br />
„professionelle Projekte“ 33 , „duale Projekte“ 34 und „Freizeit- bzw. Eigenarbeitsprojekte“ 35 unterscheidet<br />
36 . Ebenfalls sehr gebräuchlich ist die Abgrenzung von „alternativen Projekten“, d.h.<br />
subventionsabhängigen sozialen und kulturellen Projekten, gegenüber „alternativen Betrieben“,<br />
d.h. erwerbswirtschaftlich- und marktorientierten Betrieben (Effinger 1990: 26).<br />
In neuerer Zeit werden anstelle von „alternativer Betrieb“ auch die Begriffe „alternativökonomischer<br />
Betrieb/Projekt“, „selbstorganisierter Betrieb“ oder „selbstverwalteter Betrieb“<br />
verwendet (vgl. Beywl 1986: 109, Heider/Mevissen 1991: 47). Im Rahmen der kommunalen<br />
Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik wird von „lokalen oder örtlichen Beschäftigungsinitiativen“<br />
gesprochen (z.B. Daviter et al. 1987). Abgesehen von der Uneinheitlichkeit der Terminologie<br />
wird auch die Frage, welche Betriebe und Projekte überhaupt der Alternativökonomie zuzurechnen<br />
sind, unterschiedlich beantwortet: Während die einen alle „alternativen“ Betriebe,<br />
Projekte und Initiativen als zur Alternativökonomie gehörig bezeichnen, sind bei andern nur die<br />
erwerbsorientierten Betriebe gemeint.<br />
32 Im Kontext der neuen sozialen Bewegungen werden zusätzlich auch Versorgungseinrichtungen im Bereich Wohnen<br />
oder soziale Dienste zur Alternativökonomie gezählt (vgl. Beywl 1987: 187).<br />
33 „Professionelle Projekte erkennt man zunächst daran, dass die Beteiligten mit ihrer beruflichen Existenz davon<br />
abhängen. Für die Betroffenen ist es keine Zweit-, Neben- oder Freizeitbeschäftigung, sondern eben schlicht ihre Existenz.“<br />
(Huber 1979b: 113). Die Arbeit im Projekt ist bezahlt, und zwar aus dem Einkommen des Projekts. Diese Unternehmen<br />
sind formell registriert, sie zahlen Sozialversicherung und Steuern.<br />
34 Auch „duale Projekte“ sind formell registriert, zahlen Versicherung und Steuern. Im Gegensatz zu den professionellen<br />
Projekten sind in dualen Projekten aber nicht alle Mitglieder existenziell vom Projekt abhängig, ein Teil der Mitglieder<br />
verrichtet die Arbeit im Projekt unbezahlt. Nach Hubers Einschätzung ist diese Dualität innerhalb einer<br />
Gruppe, die früher nur in Familienbetrieben bekannt war (mithelfende Angehörige), in dieser Weise „völlig neu und<br />
bahnbrechend“ (Huber 1979b: 115).<br />
35 „Freizeit- resp. Eigenarbeitsprojekte“ (Huber 1981: 43), früher als „soziale Projekte“ bezeichnet (Huber 1979b:<br />
115f.), sind im Aussenverhältnis unterschiedlich organisiert, zentrales Merkmal ist ihr informeller Charakter. Die<br />
Arbeit im Projekt ist unbezahlt und orientiert sich am Eigenbedarf der Beteiligten, der gemeinschaftlichen Selbstversorgung,<br />
Selbstbetreuung, und Selbsthilfe. Lediglich bei Freizeitprojekten wird etwas für andere getan.<br />
36 Politische Projekte wie Bürgerinitiativen werden meist nicht zur alternativen Ökonomie gerechnet, da es sich bei<br />
ihnen nicht um ökonomische Projekte handelt, die für den Markt oder ihre Mitglieder Güter produzieren.