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OCEAN7 2007-11

In dieser Ausgabe: Wenn Senioren segeln - ein ungewöhnlicher Törn von der Karibik nach Mallorca! Außerdem eine Reportage von einer sehr stürmischen Regatta quer durch das herbstliche Mittelmeer.

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52 text ThoMAS D. DoBernIGG fotos CASSenS & PlATh<br />

Struckl – oder<br />

die kunst der navigation<br />

Mitsegler. Bei fast jedem Törn gibt es einen, dessen Verhalten den Aufenthalt an Bord erst so richtig<br />

vergnüglich oder abenteuerlich macht, dass man auch noch Jahre später gerne davon erzählt. In dieser<br />

Geschichte ist es „Struckl“, unser talentierter Astronavigator.<br />

Nostalgisch. Der Bobby Schenk-Sextant von<br />

Cassens & Plath, ein Präzisionsgerät. Für viele<br />

aus der GPS-Generation ein Museumsstück.<br />

gleich vorweg: Diese<br />

Geschichte beruht auf<br />

Wahrheit, lediglich der<br />

Name der Hauptfigur,<br />

Struckl, ist frei erfunden.<br />

Es war der zweite Abend nach unserem<br />

Transatlantik-Törn. Unser Schiff lag<br />

gut vertäut in der Rodney-Bay auf<br />

St. Lucia. Ich hatte es vor<br />

wenigen Stunden an<br />

Willi, den nächsten<br />

Skipper, übergeben,<br />

der mit<br />

wechselnden<br />

Crews bis<br />

zum Frühjahr<br />

unter<br />

der karibischen<br />

Sonne segeln<br />

wollte.<br />

Unsere<br />

Kabinen waren<br />

geräumt<br />

und ich hatte<br />

Willi für den<br />

Abend in ein<br />

Restaurant<br />

zum Dinner<br />

eingeladen.<br />

Jetzt wartete<br />

ich unter<br />

Palmen<br />

und mit Blick<br />

auf die herrliche<br />

Lagune bei einem<br />

köstlichen Planter‘s<br />

Punch auf sein Erscheinen.<br />

Er kam. Verspätet, verschwitzt und<br />

völlig außer Atem.<br />

„Mensch, das war jetzt noch spannend.<br />

Meine Crew und ich, wir haben<br />

gegen einen kleinen Unkostenbeitrag<br />

einen ganz tollen Kurs in Astronavigation<br />

bekommen. Da konnte ich einfach<br />

nicht früher weg. Entschuldige<br />

bitte. Ich brauch jetzt dringend ein<br />

Bier“, sagte Willi.<br />

Er schien tief beglückt und erleuchtet<br />

von dem eben Gelernten. „Ich fahre<br />

jetzt schon 15 Jahre als Profiskipper“,<br />

erklärte er, „aber Astro hab ich bis<br />

heute noch nie kapiert.“ Seine Augen<br />

glänzten und er leerte das Glas Bier<br />

auf einen Zug.<br />

Ich war erstaunt.<br />

„Wer hat denn diesen Kurs abgehalten?“,<br />

wollte ich wissen.<br />

„Na, der Struckl, der Navigator aus<br />

deiner Crew. Der euch ja mit dem Sextanten<br />

über den Atlantik gelotst hat, weil<br />

er dem GPS nicht über den Weg traut.“<br />

Der Struckl! Mein Navigator!<br />

Das beeindruckte mich so sehr, dass<br />

ich sofort eine Flasche Rotwein bestellte.<br />

Am liebsten hätte ich sie gleich zur<br />

Gänze ausgetrunken.<br />

Struckl war unser jüngstes Crewmitglied.<br />

Architekturstudent – ungefähr<br />

22. Semester.<br />

Am Abend vor dem Ablegen in Puerto<br />

de Mogan auf Gran Canaria hatte er<br />

beim Sundowner im Cockpit der Crew<br />

mit einem in die Ferne gewandten Blick<br />

erklärte: „Egal, welche Wache ich auch<br />

gehe, ich werde jeden einzelnen Sonnenaufgang<br />

auf dieser Fahrt über den<br />

Atlantik an Deck erleben und fotografieren.<br />

Ich plane, daraus ein Kunstwerk zu<br />

machen. Eine Collage, die diese unendliche<br />

Weite des Ozeans und die Länge<br />

der Reise widerspiegelt. Für mich ist das<br />

nicht einfach ein Törn wie für euch. Das<br />

würde meinen Ansprüchen an mein Leben<br />

nicht gerecht. Für mich ist das eine<br />

Reise zu mir selbst, ein Weg zur Kunst.“<br />

Dabei holte er mit beiden Armen weit<br />

aus, um einen Kreis zu beschreiben und<br />

fegte dabei die frisch mit Mojito gefüllten<br />

Gläser vom Cockpittisch.<br />

„Man darf die Kreativität eines jungen<br />

Künstlers nicht bremsen“, dachte ich, als

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